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Shevchenko, A.K.

Shevchenko, A.K.

Titel: Shevchenko, A.K. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein fatales Erbe
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Sattel geworfen zu werden.
    Er hat über vieles nachzudenken.
    Er wendet sich an seinen Privatsekretär. »Dieses Mädchen -
diese englische Anwältin, die uns die Erbschaftsdokumente übergeben hat. Haben
wir ihr für heute Abend eine Einladung geschickt? Ich möchte ihr persönlich
danken.«
    »Alles unter Kontrolle, Herr Präsident«, nickt der
Privatsekretär und verlässt den Raum, damit der Präsident die restlichen
zwanzig Minuten seiner Pause zur Entspannung hat. Eigentlich, denkt der
Privatsekretär, müsste ich mich auch einmal entspannen. Es war ein
anstrengender Tag, und dieses Mädchen hat ihn auch viel Mühe gekostet.
    Er war wirklich überrascht gewesen, als der Präsident in
Kiew so viel Zeit in ein ungeplantes Vier-Augen-Gespräch mit einer völlig
unbekannten britischen Anwältin investierte. Sie war nicht mal besonders
attraktiv. Und, was noch schlimmer war, er durfte bei dem Treffen nicht dabei
sein, dafür wurde aber der Sicherheitschef hereingerufen. Aus diesem Grund hat
der Privatsekretär ein bisschen auf eigene Faust ermittelt: das Mädchen zum
Flughafen begleitet, sie beobachtet, ein paar Fotos gemacht und die Ausbeute
durch einen Spezialkurier nach Moskau gesandt. Ganz sicher kann man sein
Handeln nicht als Vertrauensbruch bezeichnen! Und der Begriff »Verrat« wäre
hier völlig deplatziert. Ganz im Gegenteil. Sein Handeln beweist seine
Loyalität gegenüber jener Organisation, in die er vor zwanzig Jahren
eingetreten ist. Oder trifft doch ein ganz anderes Wort zu, weil Geld im Spiel
ist? Er sieht auf die Uhr - gerade noch Zeit für eine Tasse Tee und ein Stück
Kuchen. Er wird nach der Schwarzwälder Kirschtorte fragen. Als er vor zwei
Jahren in diesem Hotel abgestiegen ist, hat sie ihm wunderbar geschmeckt. Das
hat er sich heute verdient, ganz sicher, nach all den Vorbereitungen. Auch wenn
seine Frau dauernd nörgelt, er müsse abnehmen. Sie sagt, er sei so kahl und
dick, dass er sie an einen Teigbatzen erinnert.
     
    TARAS
     
    29
     
    London, Donnerstag, 12. April 2001, 16.55 Uhr
    Es ist fünf vor fünf, als er den heutigen Kampf endlich
gewinnt. Er hat den ganzen Tag versucht, von Amy, der Empfangsdame, zu
erfahren, wo er Kate finden kann. Das getüpfelte Bild, das er sowieso schon
kannte, ist ihm jetzt bis zum Überdruss vertraut. Und als er heute Morgen eine
hingekritzelte Telefonnummer anrief, kamen ihm Stimme und Akzent der
Empfangsdame auch bekannt vor.
    Taras hat sich gefragt, ob Empfangsdamen in
Anwaltskanzleien alle die gleichen Standards erfüllen müssen. Das Mädchen
teilte ihm mit, dass Kate den ganzen Tag unterwegs sei, nannte ihm aber die
Adresse der Kanzlei. Als er auf dem Stadtplan nachsah, war er im ersten Moment
nicht mal überrascht. Er hatte ja gelesen, dass sich die Londoner Anwaltskanzleien
alle auf dieselbe Gegend konzentrieren. Als er sich aber dem Eingang näherte,
den cremefarbenen Sessel und das getüpfelte Bild erblickte, machte er auf dem
Absatz kehrt und lief erst mal eine halbe Stunde am Flussufer auf und ab, um
neu zu planen.
    Amy freute sich, ihn zu sehen - oder vielmehr freute sie
sich, den attraktiven polnischen Baron wiederzusehen, der im März einen Termin
bei Miss Fletcher gehabt hatte. Sie riss die stark geschminkten Augen weiter
auf als nötig, als der Baron sich sogar noch an ihren Namen erinnerte.
    »Guten Morgen. Ich bin hier, um die Anwältin zu sprechen,
die Sie mir letztes Mal empfohlen haben, Amy. Ihre Expertin für Osteuropa.
Kate, nicht wahr?«
    Und so begann er, der Kampf um Informationen - wo Kate
heute sei, was sie vorhabe, wo sie wohne.
    Amy bot ihm einen Termin für morgen an, weigerte sich aber
strikt, Taras persönliche Auskünfte zu geben. Sie hielt die Stellung,
erhobenen Hauptes und mit eisernem Willen. Den ganzen Tag. Taras fragte sich,
ob sie eine Ausbildung beim Militär durchlaufen habe.
    Er versuchte es mit schweigendem Warten, gekrönt von einem
Überraschungsmoment. Er ging weg, um »nach dem Lunch« wiederzukommen. Er
stellte Fragen zur Kanzlei, erst allgemein, dann detailliert. Vergeblich.
    Es blieb ihm nicht einmal erspart, den Postboten
abzufangen; der Mann war heilfroh, dass ihm der neue Anwalt eine Tüte mit Dokumenten
abnahm, aber für Kate war nichts dabei. Schließlich, um zehn vor fünf,
kapitulierte er. Amy war drauf und dran, die Polizei zu rufen. Sie sagte ihm
dies in gewohnt liebenswürdigem Ton. Als er ihr den Rücken zuwandte, um
endgültig zu gehen, bekam er ein Telefonat mit: »Sie schicken

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