Sheylah und die Zwillingsschluessel
ich denn sonst tun?“ „Endlich über ihn hinwegkommen“, sagte er. „Wasch deine Hände rein von seinem Blut und fang wieder an zu leben.“
Von seinem Blut reinwaschen! Dass sie nicht lachte! Moment mal … Blut? „Oh Gott!“, rief Sheylah und sprang auf. Zu Tode erschrocken taten es ihr Neela und Djego gleich. Alarmiert sahen sie sich um, doch schien nirgendwo Gefahr zu lauern. „Sheylah, was ist denn?“, fragte Neela besorgt und auch Djego schaute sie erwartungsvoll an. „Djego, du bist ein Genie!“, rief Sheylah und schüttelte ihn, bis seine Zähne aufeinander schlugen. „Blutgraf!“, rief sie aufgeregt und die beiden starrten sie an, als hätte sie den Verstand verloren. „Sheylah, kannst du bitte in ganzen Sätzen sprechen, ich verstehe kein Wort“, bat Neela. „Der Blutgraf … Graf de Mortes“, sagte sie und schaute die beiden erwartungsvoll an, doch sie verstanden immer noch nicht. „Was ist mit ihm?“, wollte Djego argwöhnisch wissen. Sheylah verdrehte ungeduldig die Augen. „Ich habe mich einmal mit Andrey darüber unterhalten. Gott, wieso bin ich nicht früher darauf gekommen? Andrey sagte, dass der Graf es geschafft hätte, einen Toten ins Leben zurückzuholen und nicht etwa als Vampir oder Zombie, sondern als lebendigen Menschen.“ Neela fiel die Kinnlade herunter, aber nicht vor Freude, wie Sheylah gehofft hatte, sondern vor Entsetzen. „Das ist doch wohl nicht dein Ernst, oder?“ Djego pflichtete ihr bei: „Das sind alte Geschichten, Sheylah, niemand weiß, ob sie wahr sind!“ „Andrey hat daran geglaubt und er kam mir nie sehr leichtgläubig vor“, konterte sie. Djego nahm ihre Hände und schaute ihr eindringlich in die Augen. Sie fühlte sich wie ein Kleinkind, dem dringend klargemacht werden musste, dass der Weihnachtsmann nicht existierte. „Hör mir zu, Sheylah. Ich weiß, dass du verzweifelt bist und dich nach einem Abenteuer sehnst, aber nach einem angeblichen Blutgrafen zu suchen, der womöglich nicht einmal existiert …“ „Und ob er existiert, er war ein Freund von Andrey“, unterbrach sie ihn. „Und das ist, soweit ich weiß, zweihundert Jahre her. Auch Vampire sterben irgendwann, ganz abgesehen davon, dass sie dir nie helfen würden. Sie sind böse.“ „So wie Dämonen böse sind?“, fragte Sheylah verärgert.
„Auch bei Sou dachten wir, dass er schlecht wäre, aber er hat uns geholfen.“ „Ja aber nur aus Eigennutz“, sagte Djego. „Aus Freundschaft, später zumindest“, gab Sheylah zurück. Djego und Neela hätten wohl noch ewig mit ihr diskutiert, doch Sheylah zog einen Schlussstrich. „Hört zu. Ich habe meine Entscheidung getroffen, begleitet mich oder bleibt hier“, verlangte sie mit einer Endgültigkeit, die keinen Widerspruch zuließ. Ihre Freunde schauten sie lange an und auch Raqui hatte aufgehört zu spielen und sich zu ihnen gesellt. Zuerst waren ihre Gesichter noch trotzig und entschlossen, doch Sheylah sah, wie ihr Widerstand mit jeder Sekunde mehr bröckelte. Sie sah es an ihren Gesichtern, dass sie zustimmen würden und musste sich das Grinsen verkneifen wie ein aufgeregtes Kind. Nach einer Ewigkeit sagte Neela seufzend: „Du bist meine beste Freundin und auch ich vermisse Andrey, ich werde dich begleiten.“ Sheylah biss sich auf die Unterlippe, um nicht zu lächeln und sah Djego an. „Wenn es einen Weg gibt, meinen alten Freund wiederzuholen und sei er noch so unwahrscheinlich, werde ich es tun.“ „Ich wusste, dass ihr ja sagt!“, rief Sheylah und nahm die beiden, über das ganze Gesicht strahlend, in die Arme. Sie würden etwas unternehmen! Sie würden versuchen, ihren Geliebten Andrey zu retten! Sheylah konnte sich nicht daran erinnern, in letzter Zeit glücklicher gewesen zu sein. „Wenn du erlaubst, Sheylah, würde auch ich dich gerne begleiten“, erklang Raquis Stimme in ihrem Kopf. Sie machte eine anmutige tiefe Verbeugung, wie nur Katzen sie vollbringen konnten. „Es wäre mir eine Ehre“, sagte Sheylah und neigte anerkennend den Kopf. „Haben wir gerade wirklich zugestimmt?“, fragte Neela kopfschüttelnd. „Ich fürchte ja“, antwortete Djego lachend und alle schlossen sich seinem Lachen an. „Also dann, statten wir dem Blutgrafen einen Besuch ab“, sagte Sheylah und zusammen verließen sie den Übungsplatz, jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt und einem Funken Hoffnung im Herzen.
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