Sheylah und die Zwillingsschluessel
weitere Pferde mit, so können wir uns erkenntlich zeigen.“ Dann rief er einen anderen Ritter herbei. „Schau nach, ob du noch etwas Essbares und Wasser findest.“ Der Angesprochene nickte und machte sich an die Arbeit. Sheylah bewunderte Andrey für seinen klaren Kopf. Denn während sie noch damit beschäftigt war, das eben Geschehene zu verarbeiten, plante er bereits alles für ihren Abmarsch. „Haben wir Verletzte?“, fragte Andrey in die Runde. Ben antwortete: „Nein, Herr, alle die verletzt wurden, sind tot.“ Und es waren viele. Sie hatten weniger als die Hälfte an Männern, der Rest war zerstückelt, geköpft oder schlichtweg auseinandergerissen worden. „Dann sollte sich jetzt jeder ein Pferd nehmen, in zehn Minuten brechen wir auf.“ Andrey wandte sich Sheylah zu. „Komm mit, ich will mir deine Hände ansehen.“ Die hatte sie ganz vergessen! Er führte sie zum Kräuterwagen und bugsierte sie auf den Kutschbock, dann verschwand er im Innern des Wagens und kam nach wenigen Augenblicken mit ein paar übelriechenden blauen Kräutern und Stofffetzen zurück. Sheylah rümpfte die Nase. „Das soll dir auch nicht schmecken, sondern heilen“, sagte er und nahm die Kräuter in den Mund. Sheylah bemühte sich, nicht das Gesicht zu verziehen und schaffte es auch einigermaßen, bis ihr Andrey die zerkauten Kräuter auf die Handflächen drückte. „Was machst du da?“ Er antwortete, ohne aufzuschauen und rieb die Masse gleichmäßig auf ihre Hände. „Ich sorge dafür, dass du in deinem Leben noch ein Schwert halten kannst. Nach zwei Stunden kannst du den Verband abnehmen, deine Hände dürften dann wieder gesund sein.“ „Dürften? Heißt das, du weißt es nicht?“ Sie klang nervös. Andrey wickelte ihr die Stofffetzen um die Hände und sagte: „Na ja, wenn du sie länger einwirken lässt, könnten sich die Kräuter festsaugen. Dann müsstest du dir die Haut abziehen und neu wachsen lassen“, antwortete er nüchtern. „Das ist ein Scherz, oder?“, rief sie. „Mach sie sofort ab!“ Andrey lachte, machte aber keine Anstalten, der Aufforderung nachzukommen. „Warum heilen meine Hände nicht von allein? Ich dachte, mit Tarems Hilfe hätte ich so etwas wie Heilkräfte?“ „Die hast du auch, aber sie sind noch nicht sehr ausgeprägt. Es würde wahrscheinlich den ganzen Tag dauern, bis deine Hände geheilt wären, was an sich schon eine Leistung ist. Aber mit der vollen Macht von Tarem könnten sie sich in Sekunden regenerieren.“ „Wirklich? Und wann ist es soweit?“ „Ich weiß nicht, das liegt an dir. Es könnte Tage, aber auch Jahre dauern.“ Damit verließ er sie und Sheylah blieb allein in der Kutsche zurück. Sie schwang sich von der Kutsche und entdeckte Djego ganz in ihrer Nähe. Sein Gesicht war noch ein wenig grau, aber er schien schon wieder bei Kräften zu sein, was er Andreys Heilkünsten zu verdanken hatte. Sie lief zu ihm und wollte ihm in die Arme fallen, doch er wich zurück und hob abwehrend die Hände. „Lieber nicht. Andrey hat mir soeben zwei gebrochene Rippen geheilt, ich muss mich schonen“, sagte er und lächelte entschuldigend. Sheylah machte eine Schnute und schaute mit großen Augen zu ihm auf. Er seufzte und schloss sie vorsichtig in die Arme. Da kam Andrey zu ihnen und schüttelte den Kopf. „Du bist schwach, mein Freund, wenn du einer Frau so leicht nachgibst“, sagte er. „Deswegen bin ich auch der Beliebtere von uns beiden“, antwortete Djego und verzog vor Schmerz das Gesicht, als er lachte. Er würde wohl noch ein paar Tage brauchen, bis er wieder gesund war. Andrey half Sheylah auf ihr Pferd, denn es war nicht einfach, mit Bandagen zu reiten, geschweige denn, die Zügel zu halten. Sie bekam es irgendwie hin, wurde das Gefühl aber nicht los, von den beiden schon wieder zum Narren gehalten zu werden. Sie verließen das Schlachtfeld und ritten zügig davon und Sheylah musste an all die Männer denken, welche heute ihr Leben lassen mussten. Sie hatten es nicht verdient, in der Wüste zurückgelassen zu werden, niemand hatte das und sie glaubte auch nicht, dass die Skintii ihre Wege zufällig kreuzten. Doch woher sollten sie von ihrer Reise erfahren haben oder hatte sie gar jemand verraten? Marces? Nein! Er hasste die Skintii genau wie jeder andere und Lisa hatte ihnen die Lichtkugeln geschickt, also wollte sie ihnen auf keinen Fall schaden. Doch sosehr sie sich auch das Hirn zermarterte, ihr wollte niemand anderes einfallen. Andrey hatte ein
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