Sheylah und die Zwillingsschluessel
entfernt waren, war Sheylah immer noch erstarrt. Sie hörte Andrey einen Befehl geben und Djego etwas sagen, aber alles aus weiter Ferne. Erst das grauenhafte Rasseln, der typische Klang der Skintii, ließ sie aus ihrer Trance erwachen. Wie sie schon befürchtet hatte, wurden die ersten Reihen ihrer Männer einfach weggefegt. Die Bogenschützen konzentrierten sich auf die Feuerpferde und durchlöcherten sie mit den Pfeilen. Die, die getroffen wurden, zerfielen lautlos zu einem Aschenhaufen. Soweit sie sehen konnte, hatten die Jäger keine Waffen. Ihre blutroten Rüstungen gingen in eine Art Handschuh über, der an den Fingern spitz zulief. Sie kämpften nur mit den Händen und veranstalteten schon nach wenigen Sekunden ein Blutbad. Sheylah sah sich hektisch um. Die Bogenschützen hatten sich zurückgezogen und standen nun unmittelbar in ihrer Nähe. Sie schickten einen Pfeilhagel nach dem anderen, doch es war schwierig, nicht die eigenen Männer zu treffen, weshalb sie ihr Vorhaben bald einstellten. Sheylah konnte nicht mehr untätig herumstehen. Sie lief zu den Bogenschützen, langte nach einem Pfeilköcher und band ihn sich um. Den Weihwasserbeutel stellte sie genau vor sich und dann schoss sie. Hintereinander und in Sekundenabständen tauchte sie die Pfeile in den Beutel und schoss auf alles, was nicht menschlich aussah. Nach einigen Minuten hatte sie alle Feuerpferde in Asche verwandelt und entdeckte nicht weit von sich das letzte mitsamt Reiter. Sie schoss, das Tier zerfiel zu Asche und der Skintii, der auf seinem Rücken saß, ging mit ihm zu Boden. Er ließ ein wütendes Rasseln vernehmen und schaute sich nach dem Schützen um. Dann entdeckte er Sheylah, doch konnte sie sich vorerst in Sicherheit wiegen. Denn noch war sie von einem vierhundert Mann dicken Kreis umgeben, der sie schützte. Dieser Skintii musste Loki sein, Morthons Wächter, denn er trug als einziger einen Helm. Er starrte sie lange an und Sheylah versuchte durch sein Visier zu schauen, doch da war nur Schwärze. Dann begann er so laut zu rasseln, wie sie es noch nie gehört hatte und sie musste sich die Ohren zuhalten. Für einen Moment hielten alle Jäger inne, dann deutete Loki auf Sheylah und sie kamen auf sie zu - alle. „Er kann den Schlüssel spüren“, rief Andrey und beobachtete entsetzt, wie sich die Skintii neu formierten, zu einem Haufen zusammentaten und genau auf sie zurannten. „Schart euch um uns“, rief Andrey und das taten seine Männer. Der Kreis wurde noch enger gezogen, so dass Sheylah kaum noch Platz hatte, mit ihrem Bogen zu zielen. Loki hielt sich im Hintergrund und beobachtete, wie seine Jäger vordrangen. Sheylah tauchte den nächsten Pfeil ins Weihwasser, legte ihn auf die Sehne, spannte den Bogen und schoss. Der Wächter bewegte sich keinen Millimeter, auch nicht, als Sheylahs Pfeil in seinem Visier einschlug und dort stecken blieb. Er wankte keinen Augenblick, sondern starrte weiter in ihre Richtung. Sheylah lief es eiskalt den Rücken runter, dann fiel ihr Blick wieder auf die anderen. Immer mehr Reihen wurden durchbrochen und ein schwerer Geruch von frischem Blut wehte zu ihr herüber, gemischt mit dem Gestank nach verbrannter Haut. Wenn sie grob schätzte, waren noch etwa dreihundert Ritter übrig und vierzig Skintii. Oft stürzten sich gleich zehn Männer auf einen Gegner und konnten ihn trotzdem nicht besiegen, während ein Jäger gleich zwanzig Ritter wegfegte. Das war nicht gut. „Herr, wir brauchen Unterstützung auf der rechten Seite, sie brechen durch“, rief ein Mann direkt neben Sheylah. Er hatte Recht. Auf Sheylahs Seite begann die Verteidigung zu bröckeln. Das lag daran, dass die Jäger versuchten, nur an einem Punkt durchzudringen. Im Sekundentakt wurde die Linie dünner. „Djego, hilf ihnen!“, rief Andrey über die Schulter, da stürmte Djego schon los. Sheylah wusste, dass Andrey viel mehr bewirken konnte, aber er wollte nicht von ihrer Seite weichen – das war offensichtlich. „Du kannst auch gehen, ich komme zurecht“, versicherte sie und berührte ihn am Arm. Doch Andrey schüttelte den Kopf. „Ich bleibe bei dir, ich bin dein Wächter.“ Sheylah versuchte ihn zu beruhigen. „So leicht bin ich nicht zu töten, das weißt du. Ich habe Tarem. Und sollte ich in Gefahr sein, rufe ich dich, okay? Und jetzt hilf deinen Männern, sonst ist unsere Diskussion bald überflüssig.“ Er schaute zum Himmel. „Wo bleibt nur Isaak?“ Er gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange, dann folgte
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