Sheylah und die Zwillingsschluessel
Kleid, das dunkelgrün umrandet und mit einer hauchdünnen Schleppe versehen war. Eher schwebend, als laufend, kam sie von ihrem Podest herunter und zog die Schleppe mit sich. Die fast durchsichtigen Ärmel des Kleides waren so lang, dass sie bis zum Boden reichten und verliehen ihr ein elfenartiges Aussehen. Sheylah konnte sich nicht vorstellen, dass eine so schöne Frau keinen Gemahl hatte. Lisa begrüßte zuerst Sheylah. Sie kniete nieder und küsste ihren Handrücken und das so lange und leidenschaftlich, dass es Sheylah unangenehm wurde. Sie war schon versucht, die Hand einfach wegzuziehen, konnte den Impuls aber gerade noch unterdrücken. Als sich die Gräfin erhob, blitzte es amüsiert in ihren Augen auf. Oh, sie musste ihre Gedanken in Zaum halten! „Ich freue mich, Euch kennenzulernen, Prinzessin“, sagte sie mit tief erotischer Stimme. Sheylah war jetzt schon eifersüchtig. „Du kannst du zu mir sagen“, sagte Sheylah. Lisa neigte den Kopf und gab Djego die Hand. Andrey begrüßte sie allerdings mit einem feuchten Kuss auf die Wange. „Es ist zu lange her“, raunte sie ihm ins Ohr. Sheylah biss sich auf die Lippe. „Ja, es ist schön, dich wieder zu sehen“, antwortet Andrey. „Ich freue mich, dass ihr wohlauf seid, auch wenn ihr hohe Verluste erlitten habt“, sagte Lisa und ging zum Podium zurück. Andrey und Berger gingen ihr nach und nachdem Sheylah und Djego einen vielsagenden Blick getauscht hatten, folgten auch sie. Um das Podium schlängelten sich grüne stachelige Ranken. Es war Sheylah vorher nicht aufgefallen, aber nun sah sie eine große leuchtende Kristallkugel über dem Podium schweben. Sheylah musste schmunzeln. Was wäre eine Wahrsagerin auch ohne Kristallkugel? „Erzählt mir, wie es zu dem Angriff kam“, bat Lisa. Berger stellte sich in den Hintergrund und beobachtete die Gäste, vor allem aber Sheylah. Diese versuchte ihn so gut es ging zu ignorieren, während Andrey erzählte. Als er fertig war, nickte Lisa nachdenklich. „Ich möchte dir noch einmal ausdrücklich für deine Hilfe danken“, sagte Andrey und verbeugte sich. Lisa lächelte. „Ich habe nur meine Pflicht getan. Aber auch dir sei für die Pferde gedankt. Wir können sie wahrlich gebrauchen.“ Andrey sah bedrückt aus, als er sagte: „Jetzt werden sie sowieso nicht mehr benötigt.“ Sheylah wollte ihm tröstend die Hand auf den Arm legen, konnte sich aber gerade noch zurückhalten. Sie machte aus der angefangenen Bewegung ein Kopfkratzen, räusperte sich verlegen und schaute zu Boden. Wenn Lisa etwas mitbekommen hatte, so ließ sie es sich nicht anmerken. „Ich habe Zimmer für euch herrichten lassen, aber zuerst sollten wir speisen. Ihr müsst hungrig sein.“ Sie verschwand in einen Nebenraum und gebot ihnen zu folgen. „Du bleibst in meiner Nähe“, sagte Andrey mit gedämpfter Stimme. Sheylah nickte und warf noch einen Blick zur Kristallkugel. Sie hatte aufgehört zu leuchten. Während sie der Gräfin folgten, fragte sie sich, wo Isaak abgeblieben war. Er musste Lichtingen vor ihnen erreicht haben, hatte sich seit ihrer Ankunft aber nicht blicken lassen. „Euer Rabe ist auf die Jagd gegangen, ein schönes Exemplar übrigens“, antwortete Lisa auf ihre unausgesprochene Frage. Andrey warf Sheylah einen warnenden Blick zu, Sheylah schaute böse zurück. „Was denn? Ich kann ja wohl nicht denken, oder?“, raunte sie ihm zu. Eine grüne Decke schmückte den weißen Tisch und die Stühle waren mit grünen Sitzpolstern ausgestattet. Grün schien Lisas Lieblingsfarbe zu sein, die Farbe passte aber auch zu diesem Ort. Als sie Platz nahmen, setzte sich Lisa ihr gegenüber. Dann servierte man ihnen köstlichste Speisen und Sheylah aß, als müsse sie sich auf den nächsten Winterschlaf vorbereiten. Lisa warf ihr gelegentlich amüsierte Blicke zu, doch das störte sie nicht. Auch Prinzessinnen hatten Hunger. Als Sheylah fertig war, lobte sie die Köchin in Gedanken in den höchsten Tönen. Von ihren Kochkünsten konnten sich die Köche in Torga ruhig eine Scheibe abschneiden. Ob sich Sheylah mal eine Köchin ausleihen durfte? Lisa lachte herzhaft. „Du bist wirklich amüsant, Sheylah.“ Sheylah ließ ihre Gabel sinken und wechselte einen Blick mit Andrey. Er sah sie mahnend an. „Bitte verzeih mir, es ist eine alte Gewohnheit“, entschuldigte Lisa sich. Sheylah nahm ihr die Entschuldigung aber nicht ab, dafür war ihr Blick viel zu heiter. „Dein Rabe ist ein sehr kluges Tier“, bemerkte Lisa nach einer
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