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Shibumi: Thriller (German Edition)

Shibumi: Thriller (German Edition)

Titel: Shibumi: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevanian
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dem Durchbruch durch die Decke der ersten Höhle frei schwebte, begann es sich mit ihm zu drehen, zuerst langsam, dann schneller, dann wieder langsamer, worauf es kurz anhielt und sich anschließend in die entgegengesetzte Richtung drehte. Hätte er den Neigungswinkel der Gischt ringsum sehen können, wäre ihm schwindlig geworden; in dieser absoluten Finsternis hatte er jedoch höchstens ein Gefühl des Aufgeblasenwerdens, denn durch die Fliehkraft wurden bei diesen Drehbewegungen Arme und Beine vom Körper weggespreizt.
    Hel spürte, wie er ein Stückchen emporgezogen wurde, weil die Sicherheitsklemmen gelöst werden mussten; darauf folgte ein magenhebender Sturz von mehreren Zentimetern, als sein Gewicht auf die neue Seiltrommel übertragen wurde, und dann begann unter ständigem Drehen das Herablassen durch den Wasserfall, der sich schon bald in dichten Sprühnebel auflöste. Schließlich entdeckte er ein verschwommenes Licht unter sich, wo ihn sein Kletterpartner erwartete – in sicherem Abstand von der Falllinie eventueller Steine, des Wassers und, Gott behüte, auch Hels. Das Scharren seines baumelnden Behälters verkündete Hel, dass er die Spitze des Geröllkegels erreicht hatte; also zog er beide Beine an, damit die erste Berührung mit dem Fels im Sitzen erfolgte, denn die Burschen oben würden beim geringsten Lockern der Seilspannung bremsen, und es wäre äußerst schwierig, wollte er versuchen, seine Gurte abzulegen, während er am Rand eines Felsbrockens auf den Zehenspitzen stand. Le Cagot kam schnell herangeklettert, um ihm beim Ablegen der Gurte und der Ausrüstungsgegenstände behilflich zu sein, denn Hels Glieder waren in der nassen Kälte und vom Hängen in den Gurten steif geworden, und seine Finger, mit denen er hilflos an den Schnallen hantierte, waren dick geschwollen und gefühllos.
    »Na also, Niko!«, dröhnte Le Cagot, und seine Bassstimme hallte in der großen Höhle wider. »Nun hast du dich doch entschlossen, mir einen Besuch abzustatten! Wo warst du so lange? Bei den beiden Eiern Christi, ich dachte schon, du hättest aufgegeben und wärst nach Hause gegangen. Komm schnell! Ich habe uns einen Tee gekocht.«
    Le Cagot hievte sich den Behälter auf die Schulter und begann den unsicheren Geröllkegel hinabzuklettern, wobei er lockere Steine, die eine Lawine auslösen konnten, mied. Hel, der die Hände öffnete und schloss, um die Blutzirkulation wieder in Gang zu bringen, folgte gewissenhaft den Spuren seines Partners, denn Le Cagot kannte sich auf diesem trügerischen und wackligen Geröllkegel weit besser aus als er. Der raubeinige alte baskische Dichter war schon seit Tagen hier unten, hatte am Fuß des Kegels ein Basislager eingerichtet und kurze Vorstöße in die kleinen Höhlen und Galerien unternommen, die von der Haupthöhle ausgingen. Die meisten davon endeten an Felsblöcken und Steilwänden oder liefen in Spalten aus, die zu eng zum Durchzwängen waren.
    Le Cagot kramte in dem Behälter, den Hel mitgebracht hatte. »Was ist denn das? Du hattest mir doch fest versprochen, mir eine Flasche Izarra mitzubringen! Sag bloß nicht, du hast ihn auf dem Weg hier herunter allein ausgetrunken! Wenn du mir das angetan hast, Niko, werde ich dich, bei den apostolischen Eiern Pauls des I., züchtigen müssen, obwohl mir das sehr leidtäte, denn du bist trotz deiner unglückseligen Abstammung ein guter Mann.« Le Cagot war fest davon überzeugt, dass jeder Mensch, der das Pech hatte, kein geborener Baske zu sein, an einem tragischen genetischen Makel litt.
    »Die Flasche muss da irgendwo drin sein«, erwiderte Hel, der sich auf einem flachen Felsblock ausgestreckt hatte und vor angenehm-schmerzhafter Erleichterung seufzte, als seine verspannten Muskeln sich zu lockern begannen.
    In den vergangenen vierzig Stunden, während Le Cagot das Basislager eingerichtet hatte, hatte Hel elfmal die Tour den gouffre- Schacht hinauf und hinunter gemacht, um Lebensmittel, Ausrüstungsgegenstände, Nylonseile und Fackeln zu holen. Was er jetzt am dringendsten brauchte, waren ein paar Stunden Schlaf, die er sich in der ewigen Dunkelheit einer Höhle zu jeder Zeit holen konnte, auch wenn draußen heller Tag war.
    Nikolai Hel und Beñat Le Cagot betrieben seit sechzehn Jahren zusammen Höhlenforschung; sie hatten miteinander die meisten der großen Systeme Europas durchklettert und gelegentlich mit ihren Entdeckungen und neuen Tiefen- und Entfernungsrekorden Schlagzeilen in der kleinen Welt der Speläologen

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