Shibumi: Thriller (German Edition)
aufgebaut, deren Erfüllung jenseits aller Wahrscheinlichkeit lag, und das trug viel zu jener ehelichen Pflichtvergessenheit bei, wie sie für die westlichen sexuell noch unreifen Menschen typisch ist.
Während seines kurzen Verweilens auf Stufe II – der Verwendung von Sex als psychologischem Aspirin, als soziale Narkose, als eine Art Aderlass, um Fieber und inneren Druck zu senken – erhielt Hel einen flüchtigen Einblick in die Stufe IV sexueller Erfahrung. Und weil ihm klar wurde, dass die sexuelle Aktivität einen gewichtigen Teil seines Lebens ausmachen würde, und weil er Dilettantismus in jeder Form hasste, begann er sich systematisch zu präparieren. Professionelles taktisches Training erhielt er in Ceylon und in den exklusiven Bordellen von Madagaskar, wo er vier Monate verbrachte und bei Frauen jeglicher Rasse und Kultur in die Lehre ging.
Stufe III , die sexuelle Schlemmerei, ist wohl die höchste, die jemals von Okzidentalen, ja sogar von den meisten Orientalen erreicht wird. Hel brachte dieses Stadium gemächlich und mit beträchtlichem Appetit hinter sich, weil er jung, sein Körper kraftvoll und straff und seine Fantasie erfinderisch war. Es bestand keine Gefahr, dass er in den sexuellen schwarzen Messen künstlicher Stimulierung versank, mit der die perversen Jetsetter und die schmierigen Intellektuellen der literarischen Szene und der Filmwelt ihre abgestumpften Nervenenden und ihre erloschene Vorstellungskraft zu kompensieren suchten, indem sie sich einer in des anderen lauem Fleisch und Geilheit wälzten.
Schon auf der Stufe III begann Hel mit so verfeinerten Techniken wie Orgasmusverzögerung und mentalem Verkehr zu experimentieren. Er fand es amüsant, sexuelle Techniken mit der Go-Nomenklatur zu belegen. Bezeichnungen wie aji keshi, ko, furikawari und hane waren ausgezeichnete belehrende Bilder, während andere, wie etwa kaketsugi, nozoki und yosu-miru auf die Liebeskunst nur mit einer gewaltsamen, an Prokrustes gemahnenden Verwendung der Metapher übertragen werden konnten.
Mit dreißig hatten Hels sexuelle Interessen und Fähigkeiten ihn ganz von selbst zur Stufe IV hingeführt, der »Endphase« des Spiels, in der Erregung und Orgasmus relativ triviale Abschlussgesten einer Partie sind, die die gesamte Geisteskraft und Klugheit des Meisterschafts-Go, das Training einer ceylonesischen Hure sowie die Ausdauer und Geschicklichkeit eines begabten Bergsteigers im sechsten Grad erfordert. Sein bevorzugtes Spiel war eine eigene Erfindung, die er » kikashi -Sex« nannte. Es konnte nur mit einem Partner gespielt werden, der ebenfalls Stufe IV der Liebeskunst erreicht hatte, und selbst dann nur, wenn beide sich besonders stark fühlten. Das Spiel fand in einem kleinen, ungefähr sechs tatamis umfassenden Raum statt. Beide Partner waren in konventionelle Kimonos gekleidet und knieten, die Rücken zwei einander gegenüberliegenden Wänden zugekehrt, voreinander. Jeder musste nun einzig und allein durch Konzentration bis an die Grenze des Höhepunkts gelangen und dort verharren. Körperlicher Kontakt war nicht gestattet, nur geistige Konzentration und Gesten, die mit einer Hand ausgeführt werden konnten.
Ziel dieses Spiels war es, den anderen zum Höhepunkt zu bringen, ehe man ihn selbst erreichte, und es gelang am besten, wenn es regnete.
Mit der Zeit ließ Hel vom kikashi -Sex ab, teils, weil es etwas zu anstrengend, teils, weil es eine einsame, selbstsüchtige Erfahrung war, ohne die Zuneigung und Zärtlichkeit des Nachspiels, das die schönsten Liebesstunden auszeichnet.
Hana hatte die Augen fest geschlossen; ihre Lippen spannten sich über den Zähnen. Sie versuchte sich aus der verzwickten Position zu befreien, in der er sie hielt, aber er gab nicht nach.
»Ich dachte, wir hätten vereinbart, dass du das nicht darfst«, flehte sie.
»Wir haben überhaupt nichts vereinbart.«
»Aber, Nikko … Ich kann nicht! … Ich kann nicht mehr zurückhalten! Du verdammtes Biest!«
Sie bog den Rücken durch und stieß vor Anstrengung, ihren Orgasmus zurückzuhalten, einen kleinen Quietscher aus.
Ihre Lust steckte Hel an, der nun endlich auch nachgab und unmittelbar nach ihr zum Höhepunkt kam. Doch dann begann die Alarmglocke seines Proximitätssinns zu schrillen. Sie tat nur so! Ihre Aura tanzte nicht, wie es beim Höhepunkt der Fall sein musste! Er versuchte seinen Geist ganz zu entleeren und seinen Orgasmus zurückzuhalten, aber es war zu spät. Er hatte den Damm der Selbstbeherrschung
Weitere Kostenlose Bücher