Shibumi: Thriller (German Edition)
Sie mir sicherlich erklären werden.«
Pierre warf einen unsicheren Blick in die Runde und wechselte zum Französischen über, um die Gefahr, die Erdgeister zu beleidigen – die natürlich nur Baskisch verstanden – zu vermeiden. » Vous voyez, M’sieur, de temps en temps, la lune se trompe! «
Hel atmete tief ein und schüttelte den Kopf. »Guten Morgen, Pierre.«
»Guten Morgen, M’sieur.« Pierre schlurfte den Pfad hinab, um nachzusehen, ob vielleicht noch etwas anderes seine Aufmerksamkeit erforderte.
Mit geschlossenen Augen vor sich hin träumend, saß Hel in der japanischen Holzwanne, deren Wasser ihm bis zum Hals reichte und so heiß war, dass das Hineingleiten eine Empfindung an der Grenze zwischen Schmerz und Wohltun ausgelöst hatte. Die Mädchen hatten den Badeofen eingeheizt, sobald sie hörten, dass Monsieur Hel von Larrau herüberkam, und als er sich gründlich abgeschrubbt und eine Schockdusche mit eiskaltem Wasser genommen hatte, war der japanische Zuber schon gefüllt, und durch die kleine Badestube wogte dichter Dampf.
Hana döste ihm gegenüber auf einer etwas erhöhten Bank, die es ihr gestattete, ebenfalls bis zum Hals im Wasser zu sitzen. Wie immer, wenn sie gemeinsam badeten, hatten sie ihre Beine lässig ineinander verschlungen.
»Möchtest du etwas über deine Besucherin hören, Nikolai?«
Hel schüttelte langsam den Kopf; er wollte sich nicht in seiner komatösen Entspannung stören lassen. »Später«, murmelte er nur.
Nach einer Viertelstunde war das Wasser so weit abgekühlt, dass sie sich im Zuber bewegen konnten, ohne Schmerz zu empfinden. Hel öffnete die Augen und lächelte Hana schläfrig zu. »Ich werde alt, meine Freundin. Nach ein paar Tagen in den Bergen ist das Bad für mich jetzt eher eine medizinische Notwendigkeit als ein Vergnügen.«
Hana erwiderte sein Lächeln und drückte seinen Fuß zwischen den ihren. »War es eine gute Höhle?«
Er nickte. »Eine bequeme. Eine Höhle zum Spazierengehen, ohne längere Kriechstrecken, ohne Siphons. Dennoch war die Anstrengung für meine Körperkräfte mehr als genug.«
Er stieg aus dem Badezuber und schob die gepolsterte Tür zurück, die den Baderaum von dem kleinen japanischen Garten trennte, an dem er seit fünfzehn Jahren arbeitete, um ihn vollkommen zu gestalten, und der nach seiner Schätzung in weiteren fünfzehn akzeptabel sein würde. Dampfwolken quollen an ihm vorbei in die kühle Luft hinaus, die sich auf seiner von der Hitze prickelnden und gespannten Haut angenehm erfrischend anfühlte. Er hatte die Erfahrung gemacht, dass ein heißes Bad, zwanzig Minuten leichte Meditation, eine Stunde Liebe und eine kurze Dusche belebender auf seinen Körper und Geist wirkten als eine ganze Nacht Schlaf; und diese Routine hielt er ein, wann immer er von einer Höhlenexpedition oder – in alten Zeiten – von einem konterterroristischen Unternehmen zurückkehrte.
Hana verließ die Wanne ebenfalls und zog einen leicht wattierten Kimono über ihren noch nassen Körper. Dann half sie ihm in seinen Badekimono, und sie wanderten nebeneinander durch den Garten. Er hielt kurz inne, um einen Klangstein in dem Bach zurechtzurücken, der dem kleinen Teich entsprang, denn im Augenblick war der Wasserstand niedrig, und der Ton, den der Bach auslöste, für seinen Geschmack zu hell. Die Badestube mit ihren dicken Holzbohlenwänden lag halb versteckt in einem Bambushain, der den Garten auf drei Seiten umgab. Ihr gegenüber stand ein niedriges Häuschen aus dunklem Holz und Papierschiebewänden, in dessen japanischem Zimmer er studierte und meditierte und in dessen »Waffenraum« er das Instrumentarium seines Berufs aufbewahrte, aus dem er sich kürzlich zurückgezogen hatte. Den Abschluss auf der vierten Seite des Gartens bildete die Rückseite des Châteaus, von dem die beiden japanischen Gebäude abgerückt waren, um die Perfektion seiner Marmorfassade nicht zu stören. Er hatte einen ganzen Sommer darauf verwandt, mit zwei Handwerkern, die er zu diesem Zweck eigens aus Kyushu hatte kommen lassen und die alt genug waren, um noch mit Holz und Dübeln umgehen zu können, an diesen japanischen Häusern zu arbeiten.
Vor einem niedrigen Lacktischchen kniend, mit Blick auf den japanischen Garten, nahmen sie eine leichte Mahlzeit ein, die aus Melonenbällchen (warm, um den Moschusgeschmack hervorzuheben), Reineclauden (grüngelb, eiskalt und saftig), ungewürzten Reiskuchen und einem halben Glas Irouléguy bestand.
Nach dem Essen erhob
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