Shibumi: Thriller (German Edition)
verschlossen blieb. Er analysierte diesen Neid bei sich als unreif, doch das genügte nicht, um ihn zu vertreiben.
Sie hatte stirnrunzelnd in die Kerzenflamme gestarrt und ihre Gefühle zu ordnen versucht. »Ich muss Ihnen etwas sagen.«
»Müssen Sie wirklich?«
»Ich möchte aufrichtig zu Ihnen sein.«
»Sparen Sie sich die Mühe.«
»Aber ich möchte es! Schon lange ehe ich Sie kennenlernte, musste ich häufig an Sie denken … Es war so etwas Ähnliches wie Tagträumen. All die Geschichten, die mir mein Onkel von Ihnen erzählte. Ich war wirklich verblüfft, wie jung Sie sind – wie jung Sie aussehen, meine ich. Und ich glaube, wenn ich meine Gefühle untersuche, dann gibt es da eine Art Vaterprojektion. Da sitzen Sie nun vor mir, die große Legende in Fleisch und Blut. Ich war ängstlich und verwirrt, und Sie haben mich beschützt. Ich erkenne die psychologischen Impulse, die mich zu Ihnen hinziehen, genau. Sie nicht?«
»Haben Sie schon mal an die Möglichkeit gedacht, dass Sie ein vorwitziges kleines Frauenzimmer mit einem gesunden und unkomplizierten Verlangen nach Zärtlichkeit sein könnten? Oder finden Sie das psychologisch zu wenig subtil?«
Sie sah ihn an und nickte ernst. »Sie verstehen es ausgezeichnet, einem den Kopf zurechtzurücken, nicht wahr? Sie lassen Ihrem Gegenüber nicht viel, um seine Blöße zu bedecken.«
»Ganz recht. Und vielleicht ist es tatsächlich unhöflich von mir. Tut mir leid. Aber ich glaube, die Wahrheit sieht so aus: Sie sind allein, einsam, verwirrt. Sie wollen gestreichelt und getröstet werden. Aber Sie wissen nicht, wie Sie darum bitten sollen, weil Sie ein Produkt der westlichen Kultur sind; also bieten Sie mir etwas an, bieten mir Ihren Körper im Tausch für Zärtlichkeit. Das ist kein ungewöhnlicher Handel für die Frauen des Westens. Denn schließlich sind sie darauf angewiesen, mit den Männern des Westens Handel zu treiben, deren Auffassung vom sozialen Austausch starr und borniert ist und die für gutes Geld nackten Sex verlangen, weil das nun einmal die einzige Form des Handelns ist, die ihnen kein Unbehagen bereitet. Miss Stern, wenn Sie es wünschen, dürfen Sie heute Nacht mit mir schlafen. Ich werde Sie in den Armen halten und Sie trösten, wenn es das ist, was Sie wollen.«
Dankbarkeit und zu viel Wein ließen ihre Augen feucht werden. »Ja, o ja. Das möchte ich.«
Aber das Tier, das tief im Menschen lauert, lässt sich nur selten von guten Vorsätzen an die Kette legen. Als ihre Zärtlichkeiten seinen Körper weckten und er von ihr die Alpha-Theta-Synkopierung empfing, die sexuelle Erregung begleitet, da war seine Reaktion nicht ausschließlich von dem Wunsch geleitet, sie vor einer Zurückweisung zu bewahren.
Sie war außerordentlich reif und bereit; all ihre Nervenenden warteten dicht unter der Oberfläche und waren beinahe beängstigend empfänglich. Da sie noch jung war, erwies es sich als etwas schwierig, ständig Feuchtigkeit in ihr zu erzeugen, von diesem rein mechanischen Nachteil abgesehen konnte er sie jedoch ohne besondere Anstrengung auf dem Höhepunkt halten.
Als sich ihre Augen öffneten, bat sie flehend: »Nein … bitte … Nicht schon wieder! Ich kann nicht mehr! Ich sterbe, wenn es noch einmal kommt!« Doch ihre unwillkürlichen Kontraktionen kamen immer schneller, und dann keuchte sie im vierten Orgasmus, den er hinzog, bis ihre Fingernägel sich in den Flor des Teppichs krallten.
Er dachte an Hanas Warnung, Hannahs zukünftige Erlebnisse nicht durch einen Vergleich zu trüben, und außerdem reizte es ihn nicht, selber zum Höhepunkt zu kommen; also holte er sie langsam zurück, streichelte und beruhigte sie, während ihre Gesäß-, Bauch- und Oberschenkelmuskeln nach den wiederholten Orgasmen vor Erschöpfung zitterten und sie still, halb bewusstlos und mit einem Gefühl, als müsse ihr das Fleisch von den Knochen schmelzen, dalag.
Er wusch sich im eisigen Schneewasser; dann stieg er auf den Balkon hinauf und legte sich schlafen.
Kurze Zeit später spürte er, dass sie sich lautlos näherte. Er rückte beiseite, machte ihr Platz in seinen Armen, in seinem Schoß. Kurz vor dem Einschlafen sagte sie träumerisch: »Nikolai?«
»Bitte nennen Sie mich nicht beim Vornamen«, murmelte er.
Sie schwieg eine Weile. »Mr. Hel? Erschrecken Sie bitte nicht darüber, es ist sicher nur etwas Vorübergehendes. Aber in diesem Augenblick liebe ich Sie.«
»Seien Sie doch nicht albern!«
»Wissen Sie was?«
Er antwortete
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