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Shibumi: Thriller (German Edition)

Shibumi: Thriller (German Edition)

Titel: Shibumi: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevanian
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Versuch, den Mund zu öffnen, verursachte ihm solche Pein, dass er spürte, wie ihm die Besinnung schwand. Sein Kiefer war gebrochen.
    Die Atemmaske. Hatte sie den Sturz überstanden? Er nahm sie aus dem Gummibeutel und untersuchte sie im Schein seiner Lampe, der immer gelblicher wurde, weil die Batterien allmählich versagten. Die Sichtscheibe war gesprungen.
    Es war ein nadelfeiner Riss; das Glas mochte halten, solange die Gummiverbindungsstücke nicht gezerrt oder verdreht wurden. Aber wie groß war die Chance, dass eben das in der reißenden Strömung am Grund des Weinkellers nicht geschah? Verschwindend gering.
    Wenn er aufrecht stand, reichte ihm das Wasser bis zur Mitte des Schienbeins. Er watete in die Kristallhöhle hinaus, wo das Wasser tiefer, der eiskalte Dunstschleier hinter ihm dünner wurde.
    Eine der beiden Magnesiumfackeln war bei dem Sturz zerbrochen, die zweite ganz mit dem fettigen Pulver überzogen, das sehr sorgfältig abgewischt werden musste, bevor er sie anzünden konnte, damit die Flammen nicht an der Fackel herabliefen und ihm die Hand verbrannten. Er steckte sie an; sie zischte und erblühte zu grellweißem Licht, illuminierte die fernen, mit glitzernden Kristallen besetzten Felswände und hob die Schönheit der Kalkspatrüschen und der schlanken Stalaktiten aus dem Dunkel. Doch diese führten nicht mehr, wie beim letzten Mal, auf stumpfe Stalagmiten hinab. Vielmehr war der Höhlenboden zu einem seichten See geworden, der die niedrigen Speläotheme völlig verdeckte. Seine Befürchtungen hatten sich also bestätigt: Ein kürzlicher Regen hatte dieses tiefer liegende Ende des Höhlensystems überschwemmt; die gesamte Länge der Mergelrinne am anderen Höhlenende lag unter Wasser.
    Hels erster Impuls war, aufzugeben, an den Rand der Höhle zu waten und sich einen Sims zu suchen, auf dem er sich ausruhen und in Meditation versenken konnte. Die vor ihm liegende Aufgabe erschien ihm hoffnungslos, die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns überwältigend. Anfänglich hatte er gedacht, diese letzte Aufgabe, durch den Weinkeller zum Ausgang zu schwimmen, würde vom psychologischen Standpunkt aus am einfachsten sein. Ohne jede Alternative, das Gewicht und die Ausdehnung des gesamten Höhlensystems hinter sich, würde er die letzte Strecke von der Kraft der Verzweiflung angetrieben werden. Ja, er hatte sogar geglaubt, die Chance, dass er es schaffte, würde größer sein als mit Le Cagots Hilfe, denn mit dessen Sicherung hätte er nur bis zur Hälfte seines Durchhaltevermögens gekämpft, weil er den Rest seiner Energie, sollte der Weg blockiert oder zu lang sein, zur Rückkehr brauchte. So aber, hatte er gehofft, würden seine Chancen sich beinahe verdoppeln, da es für ihn allein durch diese Wassermassen keine Umkehr gab.
    Und jetzt stand die Kristallhöhle unter Wasser, und die Strecke, die er durchschwimmen musste, war doppelt so lang. Der Vorteil der Verzweiflung hatte aufgehört zu existieren.
    Würde es nicht besser sein, den Tod mit Würde zu erwarten, anstatt sich wie ein panisches Tier gegen das Schicksal zu wehren? Welche Chance blieb ihm denn noch? Die kleinste Kinnbewegung löste einen Schock unerträglichen Schmerzes aus; seine Schulter war steif und knirschte schmerzhaft im Gelenk; seine Handflächen waren zerfetzt; selbst die verdammte Atemmaske würde der Gewalt jener unterirdischen Wasserströmung nicht widerstehen können. Diese Aufgabe war nicht mal ein Vabanquespiel. Es war, als ob man mit dem Schicksal Münzen warf, und das Schicksal setzte jedes Mal sowohl auf Kopf als auch auf Adler. Er konnte also nur gewinnen, wenn die Münze auf dem Rand landete.
    Schwerfällig watete er zur Seitenwand der Höhle hinüber, wo Flussspat wie erstarrtes Karamell herabrann. Hier wollte er sitzen bleiben und auf das Ende warten.
    Die Fackel verlosch, und die ewige Höhlenfinsternis umschloss seinen Geist mit erdrückendem Gewicht. Lichtfünkchen zuckten – wie winzige Kristallorganismen unter dem Mikroskop – bei jeder Augenbewegung durch die Dunkelheit. Dann verloschen auch sie, und die Finsternis war vollkommen.
    Nichts auf der Welt würde leichter sein, als dem Tod mit Würde, mit shibumi, entgegenzusehen.
    Und Hana? Und dieser wahnsinnige Dritte-Welt-Priester, der zum Tod von Le Cagot und Hannah Stern beigetragen hatte? Und Diamond?
    Ja, ja. Schon gut, verdammt noch mal! Er klemmte die wasserdichte Stablampe zwischen zwei Aragonitvorsprünge und schloss in ihrem Licht die Atemmaske an die

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