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Shibumi: Thriller (German Edition)

Shibumi: Thriller (German Edition)

Titel: Shibumi: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevanian
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von seinem gebräunten, wettergegerbten Gesicht. Seit vierzig Jahren hatte er die Mütze im Freien nicht abgesetzt. Er trocknete sich die Augen, schniefte vernehmlich und setzte die Mütze wieder auf. »Ich habe Madame bei der Hand genommen und sie hinausgeführt. Überall war der Weg von brennenden Trümmern versperrt. Ich musste sie mit den bloßen Händen beiseiteräumen. Aber ich bin rausgekommen! Ich habe sie hinausgebracht! Nur diese Glasscherben …« Pierre brach zusammen; er schluckte laut, und Tränen tropften von seiner Nase.
    Hel erhob sich und schloss den Alten in die Arme. »Sie waren sehr tapfer, Pierre.«
    »Aber ich bin doch der patron, wenn Sie nicht hier sind! Und ich habe es nicht geschafft, sie aufzuhalten.«
    »Sie haben alles Menschenmögliche getan.«
    »Ich wollte sie aufhalten!«
    »Das weiß ich.«
    »Und Madame? Wird sie wieder gesund werden?«
    »Sie wird am Leben bleiben.«
    »Und ihre Augen?«
    Hel wandte den Blick ab, atmete ganz langsam ein und dann wieder aus. Eine Zeit lang schwieg er. Endlich räusperte er sich und sagte: »Wir haben sehr viel zu tun, Pierre.«
    »Aber M’sieur, was denn? Das Château ist hin.«
    »Wir werden aufräumen und reparieren, was noch zu reparieren ist. Ich brauche Ihre Hilfe. Sie sollen die geeigneten Männer einstellen und sie bei der Arbeit anleiten.«
    Pierre schüttelte den Kopf. Er hatte es nicht geschafft, das Château zu schützen. Er verdiente kein Vertrauen mehr.
    »Ich möchte, dass Sie persönlich die Männer aussuchen. Räumen Sie die Trümmer auf. Machen Sie den Westflügel wetterfest. Reparieren Sie, was repariert werden muss, damit wir den Winter überstehen können. Und im nächsten Frühjahr beginnen wir dann mit dem Wiederaufbau.«
    »Aber M’sieur! Es wird ewig dauern, das Château wieder aufzubauen!«
    »Ich habe nicht gesagt, dass wir damit fertig werden, Pierre.«
    Pierre überlegte. »Na schön«, sagte er dann. »Na schön. Ach ja, Sie haben Post, M’sieur. Einen Brief und ein Päckchen. Sie müssen hier irgendwo liegen.« Er wühlte in dem Chaos von Stühlen ohne Sitzfläche, leeren Schachteln und sonstigem, jeder Beschreibung spottenden Sperrmüll, mit dem er sein Heim möbliert hatte. »Ah ja! Das sind sie. Genau dort, wo ich sie hingelegt hatte.«
    Päckchen und Brief stammten beide von Maurice de Lhandes. Während Pierre sich mit einem Schluck aus der Flasche stärkte, las Hel den Brief:
    Mein lieber Freund!
    Meinen ersten Entwurf zu dieser Epistel habe ich zerrissen und weggeworfen, weil er mit einem so melodramatischen Satz begann, dass ich darüber lachen musste und befürchtete, Dir würde er peinlich sein. Doch ich finde keine bessere Möglichkeit, Dir mitzuteilen, was ich Dir sagen möchte. Deshalb also hier jene erste pathetische Formulierung:
    Wenn Du dies liest, Nikolai, bin ich nicht mehr am Leben.
    (Hier bitte innehalten, bis mein geisterhaftes Gelächter und Deine mitfühlende Verlegenheit abgeklungen sind.)
    Es gibt viele Gründe für meine freundschaftlichen Gefühle Dir gegenüber, die ich hier anführen könnte, aber folgende drei werden genügen. Erstens: Genau wie ich, hast Du den Regierungen und Konzernen stets Anlass zu Angst und Sorge gegeben. Zweitens: Du warst außer Estelle der letzte Mensch, mit dem ich im Leben gesprochen habe. Und drittens: Du hast nicht nur niemals auf meine körperliche Absonderlichkeit angespielt, Du hast sie auch nie übersehen oder meine Gefühle verletzt, indem Du von Mann zu Mann mit mir darüber zu sprechen suchtest.
    Anbei sende ich Dir ein Geschenk (das Du gieriges Biest wahrscheinlich bereits geöffnet hast). Es enthält etwas, das Dir eines Tages vielleicht von Nutzen sein mag. Erinnerst Du Dich, dass ich Dir sagte, ich hätte etwas gegen die Vereinigten Staaten von Amerika in der Hand? Etwas so Dramatisches, dass die Freiheitsstatue sich hinlegen und Dir jede Öffnung darbieten würde, die Du zu benutzen wünschtest? Nun, hier ist es.
    Ich sende Dir nur die Fotokopien; die Originale habe ich vernichtet. Der Feind wird jedoch nie erfahren, dass sie nicht mehr existieren, und ebenso wenig weiß er, dass ich tot bin. (Erstaunlich, wie merkwürdig es mir vorkommt, dies im Präsens zu formulieren!)
    Sie werden niemals erfahren, dass sich die Originale nicht, durch den üblichen Druckknopf-Modus gesichert, in meinem Besitz befinden; mit ein wenig schauspielerischem Talent sollte es Dir also möglich sein, sie nach Deinem Belieben zu manipulieren.
    Wie Du weißt, hat mich

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