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Shibumi: Thriller (German Edition)

Shibumi: Thriller (German Edition)

Titel: Shibumi: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevanian
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heiraten wollen? Sie wird im Haus ihrer Schwester Gemüse putzen und Böden scheuern müssen. Und der Mann ihrer Schwester wird sie belästigen, wenn er getrunken hat. Und eines Tages, wenn die Schwester so hochschwanger ist, dass sie es nicht mehr tun kann, wird die da dem Ehemann nachgeben! Wahrscheinlich in der Scheune. So geht es immer. Und die Schwester wird davon erfahren, und dann wird sie die da aus dem Haus jagen! Wo soll sie dann hin? Sie wird nach Bayonne gehen und eine Hure werden, so wird es enden!
    Eine dritte Frau gesellte sich zu ihnen. Wer ist denn das Mädchen, das seine Beine zeigt? Wir wissen nur, dass sie eine Hure aus Bayonne ist. Und nicht mal Baskin! Glaubst du, sie ist vielleicht Protestantin? Aber nein, so weit würde ich nun doch nicht gehen. Nur eine armselige putain, die mit dem Mann ihrer Schwester geschlafen hat. So geht es immer, wenn man sich die Brüste nicht schnürt.
    Ja, ja.
    Als Hannah an ihnen vorbeikam, blickte sie auf und bemerkte die drei Frauen. »Bonjour, Mesdames«, grüßte sie höflich.
    »Bonjour, Mademoiselle«, antworteten sie im Chor und zeigten ihr offenes baskisches Lächeln. »Machen Sie einen Spaziergang?«, fragte die eine.
    »Ja, Madame.«
    »Wie schön! Sie haben’s gut, dass Sie so viel Zeit haben.«
    Ein Rippenstoß, der sofort erwidert wurde. Wie gewagt und gescheit, es beinahe offen auszusprechen!
    »Suchen Sie das Château, Mademoiselle?«
    »Ja.«
    »Gehen Sie nur geradeaus weiter, dann finden Sie, was Sie suchen.«
    Ein neuerlicher Rippenstoß, und eine prompte Antwort. Es war gefährlich, aber so köstlich aufregend, es beinahe offen auszusprechen!
    Hannah stand vor dem schweren Eisentor. Kein Mensch war zu sehen, und es gab anscheinend keine Möglichkeit, zu klopfen oder zu klingeln. Das Schloss lag etwa hundert Meter weit zurück, am Ende einer langen gewundenen Allee. Gerade hatte sie sich entschlossen, es an einer der kleinen Pforten ein Stück weiter die Straße entlang zu versuchen, da fragte hinter ihr eine heisere Stimme: »Mademoiselle?«
    Sie kehrte ans große Tor zurück, durch dessen Gitterstäbe ein alter Gärtner in blauer Arbeitsschürze sie prüfend musterte. »Ich möchte zu Monsieur Hel«, erklärte sie.
    »Ja«, antwortete der Gärtner mit jenem eingeatmeten oui, das nahezu alles bedeuten kann, nur nicht Ja. Er hieß sie warten und verschwand zwischen den Alleebäumen. Kurz darauf hörte sie die Angeln eines Seitentors quietschen, und er winkte ihr mit einer ausholenden Armbewegung und einer tiefen Verbeugung, die ihn beinahe das Gleichgewicht gekostet hätte. Als sie an ihm vorbeiging, merkte sie, dass er angetrunken war. Tatsächlich war Pierre nie richtig betrunken. Aber er war auch nie völlig nüchtern. Die in regelmäßigen Abständen genossenen zwölf Glas Rotwein pro Tag bewahrten ihn vor beiden Exzessen.
    Pierre wies ihr den Weg, begleitete sie aber nicht zum Haus, sondern kehrte an seine Arbeit zurück. Er beschnitt eine Buchsbaumhecke, die ein künstliches Labyrinth bildete. Pierre arbeitete niemals hastig, aber er scheute die Arbeit auch nicht, unterbrach, belebte und verwischte er sich doch seinen Tag ungefähr alle halbe Stunde durch ein Glas Roten.
    Hannah hörte das Klipp-Klapp der Heckenschere, das immer leiser wurde, je weiter sie die Allee zwischen den hohen, blaugrünen Zedern entlangschritt, deren tief herabhängende Äste ihr trauernd zuwinkten und mit wiegenden, rhythmischen Bewegungen die Schatten streiften. Ein leichter Wind flüsterte hoch in den Wipfeln wie die Flut über den Strand, und die tiefen Schatten spendeten Kühle. Sie fröstelte. Ihr war schwindlig nach dem langen Marsch, denn sie hatte den ganzen Tag nichts zu sich genommen als jenen Kaffee. Ihre Empfindungen waren zuerst vor Angst erstarrt und dann vor Verzweiflung zerschmolzen. Erstarrt, dann zerschmolzen. Die Wirklichkeit drohte ihr zu entgleiten.
    Als sie den Fuß einer Marmorfreitreppe erreichte, die zur Terrasse emporführte, hielt sie inne, unsicher, ob sie sich weiter vorwagen solle.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, erkundigte sich eine Frauenstimme von oben. Die Hand über die Augen gelegt, blinzelte Hannah zu der sonnenbeschienenen Terrasse hinauf. »Hallo! Ich bin Hannah Stern.«
    »Kommen Sie nur herauf, Hannah Stern.« Da die Frau die Sonne im Rücken hatte, konnte Hannah ihr Gesicht nicht erkennen, nach ihrer Kleidung und ihren Bewegungen jedoch schien sie Asiatin zu sein, obwohl ihre weiche, modulierte Stimme nichts von dem

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