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Shibumi: Thriller (German Edition)

Shibumi: Thriller (German Edition)

Titel: Shibumi: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevanian
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weit?«
    »Nein, nicht sehr weit. Aber Sie wollen doch gar nicht nach Licq.«
    »Ich meine, nach Etchebar. Ist es weit nach Etchebar?« Erschöpft und nervlich am Ende, fühlte sich Hannah der überaus schwierigen Aufgabe, von einem Basken eine einfache Information zu bekommen, nicht mehr gewachsen.
    »Nein, nicht sehr weit. Von Lichans aus vielleicht noch zwei Kilometer.«
    »Und wie weit ist es bis Lichans?«
    Er zuckte mit den Achseln. »Von Abense-de-Haut ungefähr zwei Kilometer. Sie können es nicht verfehlen. Wenn Sie sich bei der Gabelung nicht links halten. Denn dann verfehlen Sie es bestimmt. Weil Sie nämlich dann nach Licq kommen, wissen Sie.«
    Die alten mousse- Spieler hatten ihre Partie unterbrochen und sich, angelockt von der Unruhe, die diese ausländische Touristin auslöste, zu dem Cafébesitzer gesellt. Sie berieten kurz auf Baskisch und wurden sich schließlich einig, dass die junge Dame wirklich nach Licq kommen würde, wenn sie die linke Abzweigung nähme. Doch Licq sei schließlich auch kein übler Ort. Gab es da nicht die berühmte Geschichte von der Brücke bei Licq, die mithilfe des kleinen Volkes aus den Bergen gebaut worden war, das dann …
    »Hören Sie!«, flehte Hannah. »Könnte mich vielleicht jemand zum Château d’Etchebar fahren?«
    Kurze Konferenz zwischen dem Cafébesitzer und den mousse- Spielern. Meinungsverschiedenheiten, ausführliche Erklärungen, Bekundungen von Standpunkten. Dann übermittelte der Cafébesitzer das gemeinsam erarbeitete Verdikt.
    »Nein.«
    Man hatte sich darauf geeinigt, dass die Shorts tragende junge Ausländerin mit ihrem Rucksack zu jener Gruppe sportlicher Touristen zu zählen sei, die zwar meist sehr freundlich war, aber nur sehr wenig Trinkgeld gab. Daher fand sich niemand, der sie nach Etchebar fahren wollte, und einzig der älteste mousse- Spieler wäre bereit gewesen, auf ihre Großzügigkeit zu spekulieren, aber der besaß leider keinen Wagen. Und außerdem konnte er nicht fahren.
    Seufzend griff Hannah nach ihrem Rucksack. Doch der Cafébesitzer erinnerte sie an die Tasse Kaffee, die sie getrunken hatte, und da fiel ihr wieder ein, dass sie kein französisches Geld besaß. Sie erklärte ihm die Sachlage mit komisch gespielter Zerknirschung, versuchte sich mit einem Lachen über die Absurdität der Situation hinwegzuretten. Er aber starrte unbeirrt auf die unbezahlte Tasse Kaffee und verharrte in vorwurfsvollem Schweigen. Die mousse- Spieler diskutierten diese neue Wendung der Dinge lebhaft. Was? Diese Touristin bestellte sich Kaffee, ohne dafür bezahlen zu können? Vielleicht war das ein Fall für die Polizei!
    Schließlich stieß der Cafébesitzer einen zitternden Seufzer aus und sah mit einem Blick voller Tragik in den feuchten Augen zu ihr empor. Wollte sie tatsächlich behaupten, sie habe nicht mal die zwei Francs für den Kaffee – vergessen wir das Trinkgeld vorläufig –, bloß diese armseligen zwei Francs für den Kaffee? Hier ging es ums Prinzip. Schließlich hatte er den Kaffee ja auch bezahlt; und er musste das Gas bezahlen, mit dem das Wasser heiß gemacht wurde; und alle paar Jahre musste er den Kesselflicker bezahlen, der die Kanne reparierte. Er war ein Mann, der seine Schulden bezahlte. Im Gegensatz zu gewissen anderen Leuten.
    Hannah schwankte zwischen Zorn und Lachen. Sie konnte nicht fassen, dass so viel Theater um zwei Francs gemacht wurde. (Sie ahnte nicht, dass eine Tasse Kaffee in Wirklichkeit nur einen Franc kostete.) Niemals zuvor war sie dieser spezifisch französischen Version des Geizes begegnet, bei der das Geld – die Münze an sich – im Mittelpunkt aller Erwägungen steht und wichtiger ist als Waren, Komfort und Würde. Ja, wichtiger als wirklicher Reichtum. Sie konnte nicht wissen, dass diese Dörfler, obwohl sie baskische Namen trugen, durch und durch französisch geworden waren unter dem korrumpierenden kulturellen Druck von Rundfunk, Fernsehen und staatlich gelenktem Schulwesen, dieser Medien, in denen die moderne Geschichte so interpretiert wird, dass jenes vielzitierte nationale Analgetikum entsteht: la vérité à la Cinquième République.
    Beherrscht von der Mentalität des petit commerçant teilten diese bäuerlichen Basken die gallische Auffassung vom Erwerb, nach der das Vergnügen, einhundert Francs zu verdienen, nichts ist im Vergleich zu der unerträglichen Qual beim Verlust eines Centimes.
    Der Cafébesitzer, der schließlich einsah, dass seine stumme Zurschaustellung von Schmerz und

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