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Shibumi: Thriller (German Edition)

Shibumi: Thriller (German Edition)

Titel: Shibumi: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevanian
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auf dem Fußboden im Flughafen Rom gesessen hatte? »Verzeihung«, hatte sie idiotischerweise zu ihm gesagt.
    »Verzeihung«, sagte sie auch jetzt. Die schöne Frau hatte eine Bemerkung gemacht, die nicht durch die Schichten ihrer Gedanken zu ihr vorgedrungen war.
    Lächelnd nahm die Frau neben ihr Platz. »Ich sagte, es ist wirklich sehr schade, dass Nikolai im Moment nicht hier ist. Er ist seit einigen Tagen in den Bergen und kriecht in seinen geliebten Höhlen herum. Schreckliches Hobby! Aber ich erwarte ihn heute Abend oder morgen früh zurück. So haben Sie Zeit genug, zu baden und vielleicht auch ein bisschen zu schlafen. Das wäre doch schön, nicht wahr, Hannah?«
    Der Gedanke an ein heißes Bad und kühle Laken erschien Hannah wunderbar verlockend.
    Die Frau zog lächelnd ihren Sessel näher an das Marmortischchen heran. »Wie nehmen Sie Ihren Tee?« Ihr Blick war offen und ruhig. Der Schnitt ihrer Augen war asiatisch, doch sie waren von haselnussbrauner Farbe mit goldenen Tupfen. Es gelang Hannah nicht, ihre Herkunft zu erraten. Ihre Bewegungen waren eindeutig orientalisch, graziös und beherrscht; ihre Haut hatte die Farbe von café au lait, der Körper in dem hochgeschlossenen Kleid aus grüner chinesischer Seide verriet an Busen und Hüften weiche Züge, Mund und Nase dagegen wirkten europäisch. Und ihre Stimme, genau wie ihr Lachen, klang kultiviert, leise und sanft, als sie jetzt sagte: »Ja, ja, ich weiß. Es ist verwirrend.«
    »Wie bitte?« Hannah empfand es als sehr peinlich, dass ihre Gedanken so leicht zu erraten waren.
    »Ich bin das, was freundliche Menschen als ›Kosmopolitin‹, andere dagegen wohl eher als ›Promenadenmischung‹ bezeichnen. Meine Mutter war Japanerin, mein Vater ein amerikanischer Soldat. Ich habe nie das Vergnügen gehabt, seine Bekanntschaft zu machen. Nehmen Sie Milch?«
    »Wie bitte?«
    »In den Tee.« Hana lächelte. »Möchten Sie lieber Englisch sprechen?«, fuhr sie in dieser Sprache fort.
    »Offen gestanden, ja«, gab Hannah ebenfalls auf Englisch zu, allerdings mit amerikanischem Akzent.
    »Das habe ich mir gedacht, als ich Ihre Aussprache hörte. Also gut, sprechen wir Englisch. Nikolai spricht es hier nur selten, und ich fürchte, dass mein Englisch allmählich einrostet.« In Wahrheit hatte sie einen kaum wahrnehmbaren Akzent; keine falsche Aussprache, sondern nur eine ganz leichte Überakzentuierung des britischen Englisch. Möglich, dass ihr Französisch ebenfalls nicht ganz akzentfrei war, aber das konnte Hannah nicht heraushören.
    Doch etwas anderes fiel ihr auf. »Es ist ja für zwei gedeckt! Haben Sie mich erwartet, Mrs. Hel?«
    »Bitte, nennen Sie mich Hana. Ja, ich habe Sie erwartet. Der Mann aus dem Café in Tardets rief an und fragte, ob er Ihnen den Weg hierher beschreiben dürfe. Einen zweiten Anruf erhielt ich, als Sie durch Abense-de-Haut kamen, und einen dritten aus Lichans.« Hana lächelte fröhlich auf. »Nikolai genießt hier jeden erdenklichen Schutz. Er hält nicht viel von Überraschungen.«
    »Warten Sie, da fällt mir ein … Ich habe ja eine Nachricht für Sie.« Hannah zog den Zettel aus der Tasche, den ihr der Cafébesitzer mitgegeben hatte.
    Hana faltete ihn auseinander, warf einen Blick darauf und lachte mit ihrer weichen Mollstimme. »Eine Rechnung. Und genau aufgeschlüsselt. Ach, diese Franzosen! Ein Franc für das Telefongespräch. Ein Franc für Ihren Kaffee. Und dazu noch weitere anderthalb Francs – das Trinkgeld, das Sie seiner Schätzung nach gegeben hätten. Himmel, wir haben ein gutes Geschäft gemacht! Für nur dreieinhalb Francs haben wir das Vergnügen Ihrer Gesellschaft!« Lachend legte sie die Rechnung beiseite. Dann berührte sie Hannahs Arm mit ihrer warmen, trockenen Hand. »Mein Kind? Ich glaube, Sie merken gar nicht, dass Sie weinen.«
    »Wie bitte?« Hannah hob die Hand an die Wange. Sie war nass von Tränen. Großer Gott, wie lange weinte sie wohl schon? »Verzeihung. Es ist nur … Heute Morgen wurden meine Freunde … Ich muss unbedingt Mr. Hel sprechen!«
    »Ich weiß, mein Kind, ich weiß. Aber jetzt trinken Sie zuerst mal Ihren Tee. Ich habe etwas hineingetan, das Ihnen Ruhe verschaffen wird. Anschließend zeige ich Ihnen Ihr Zimmer, wo Sie baden und sich ausschlafen können. Damit Sie frisch und schön aussehen, wenn Nikolai kommt. Ihren Rucksack können Sie hierlassen. Eines der Mädchen wird sich darum kümmern.«
    »Ich möchte Ihnen aber noch erklären …«
    Doch Hana hob abwehrend die Hand.

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