Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Shibumi: Thriller (German Edition)

Shibumi: Thriller (German Edition)

Titel: Shibumi: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevanian
Vom Netzwerk:
Enttäuschung die zwei Francs auch nicht herbeizaubern konnte, entschuldigte sich mit ironischer Höflichkeit bei dem jungen Mädchen und sagte, er komme sofort zurück.
    Als er zwanzig Minuten später, nach einer erregten Konferenz mit seiner Frau im Hinterzimmer, wieder zum Vorschein kam, fragte er sie: »Ist Monsieur Hel ein Freund von Ihnen?«
    »Ja«, schwindelte Hannah, die sich nicht näher über den Zweck ihres Besuches auslassen wollte.
    »Ach so! Nun ja, dann wird Monsieur Hel wohl Ihre Schulden begleichen, falls Sie selber es nicht können.« Er riss ein Blatt von seinem Block, den eine Reklame der Firma Byrrh zierte, und schrieb etwas darauf; dann faltete er den Zettel zweimal und glättete die Falze mit dem Daumennagel. »Bitte geben Sie das Monsieur Hel«, sagte er kalt.
    Jetzt wurde sein Blick nicht mehr von ihren Brüsten und Beinen abgelenkt. Es gibt Dinge im Leben, die wichtiger sind als ein Flirt.
    Hannah wanderte schon über eine Stunde, über den Pont d’Abense und den glitzernden Gave de Saison, dann langsam hinauf in die baskischen Berge und eine schmale, von der Sonne aufgeweichte Teerstraße entlang, gesäumt von uralten Steinmauern voller Eidechsen, die davonhuschten, wenn sie sich näherte. Auf den Wiesen weideten Schafe, die Lämmer auf unsicheren Füßen neben den Müttern, und rotbraune vaches des Pyrénées im Schatten knorriger Apfelbäume sahen ihr mit unendlich sanften, unendlich dummen Augen nach. Runde, mit üppigem Farn bewachsene Hügel umgaben und schützten das enge Tal, und hinter den Hügelkuppen ragten die schneebedeckten Berge empor, deren wild zerklüftete Grate sich scharf gegen den weitgespannten blauen Himmel abzeichneten. Hoch oben schwebte auf einer Thermik ein Habicht, dessen wie Finger gespreizte Schwungfedern den Wind abtasteten, während er den Boden nach Beute absuchte.
    Die Hitze braute ein verwirrendes Potpourri von Düften: der Sopran wilder Blumen mischte sich mit den Mitteltönen geschnittenen Grases und frischen Schafdungs, und alles wurde untermalt vom aufdringlichen Basso profundo des weichen Teers.
    Vor Müdigkeit unempfänglich für Landschaft und Gerüche, trottete Hannah mit gesenktem Kopf dahin, ganz auf die Spitzen ihrer Wanderschuhe konzentriert. Ihr Geist, von der sensorischen Überlastung der letzten zehn Stunden geschockt, fand Zuflucht in einer Trübung des Bewusstseins. Sie wagte nicht nachzudenken, sich vorzustellen, sich zu erinnern; denn dort, unmittelbar hinter der Barriere des Hier-und-Jetzt, lauerten Bilder, die ihr wehtun würden, wenn sie sie hereinließe. Nur nicht denken. Einfach weitergehen und die Schuhspitzen fixieren. Das Ziel ist Château d’Etchebar. Das Ziel ist, Nikolai Hel zu finden. Darüber hinaus existiert nichts.
    An einer Weggabelung machte sie halt. Die Straße rechts stieg steil zu dem auf einem Hügel gelegenen Dorf Etchebar empor, und hinter der Gruppe von Stein- und crépi- Häusern lugte zwischen großen Kiefern, umgeben von einer hohen Steinmauer, die ausladende Fassade eines Gebäudes hervor, in dem sie das Schloss vermutete.
    Sie seufzte tief auf und marschierte weiter; ihre Müdigkeit war eins geworden mit dem sie schützenden emotionalen Dämmerzustand. Wenn sie nur noch das Schloss erreichte … Wenn sie nur zu Nikolai Hel gelangte … Zwei Bauersfrauen in schwarzen Kleidern unterbrachen ihren Schwatz über eine niedrige Steinmauer hinweg und musterten die junge Fremde mit unverhohlener Neugier und offenem Misstrauen. Wo wollte sie hin, dieses Flittchen, das seine Beine zeigte? Zum Schloss? Ach ja, das erklärte alles! Seit dieser Fremde das Château gekauft hatte, tauchten hier alle möglichen seltsamen Gestalten auf! Zugegeben, Monsieur Hel war kein übler Mensch. Im Gegenteil, ihre Männer hatten ihnen erzählt, dass die baskische Freiheitsbewegung ihn außerordentlich schätzte. Und doch – er war ein Fremder. Das war nicht abzustreiten. Er lebte erst seit vierzehn Jahren im Schloss, während alle anderen Dorfbewohner (dreiundneunzig an der Zahl) ihre Namen auf Dutzenden von Grabsteinen rings um die Kirche finden konnten, hier frisch in Pyrenäengranit geschnitten, dort kaum noch zu entziffern auf uralten Steinen, die von Wind und Regen in fünfhundert Jahren glattgeschliffen worden waren. Sieh nur! Das Flittchen hat nicht mal die Brüste geschnürt! Sie will, dass die Männer sie anstarren, das ist es! Wenn sie nicht aufpasst, wird sie mit einem vaterlosen Kind dasitzen! Und wer wird sie dann noch

Weitere Kostenlose Bücher