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Shibumi: Thriller (German Edition)

Shibumi: Thriller (German Edition)

Titel: Shibumi: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevanian
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und Asche gelegt hatten. Nur hier und da ragte der zerfetzte Stumpf eines Schornsteins empor; alles andere war dem Erdboden gleichgemacht.
    Der Zug wurde durch weitläufige Vororte um Tokio herumgeleitet. Ringsumher sah man die Zeugnisse des großen Luftangriffs vom 9. März, bei dem über dreihundert B-29-Bomber die Wohnviertel von Tokio mit Brandbomben eingedeckt hatten. Ein sechzehn Quadratmeilen großes Areal der Stadt wurde zu einem Inferno mit Temperaturen von über tausend Grad Celsius, in denen Dachziegel schmolzen und das Straßenpflaster Blasen warf. Flammenwände sprangen von Haus zu Haus, über Kanäle und Flüsse hinweg, kreisten Massen von Panik erfasster Zivilisten ein, Menschen, die von einer der immer weiter schrumpfenden Inseln der Sicherheit zur anderen hasteten und vergebens einen Ausweg aus dem zunehmend enger werdenden Feuerring suchten. Die Bäume in den Parks zischten und dampften, bis sie sich dem Brennpunkt näherten und mit lautem Krachen im Bruchteil einer Sekunde von den Wurzeln bis zur Krone in Flammen standen. Ganze Trauben von Menschen wateten in die Kanäle, um der entsetzlichen Hitze zu entgehen; doch sie wurden von der Menge, die vom Ufer aus schreiend nachdrängte, immer tiefer ins Wasser geschoben, bis sie den Boden unter den Füßen verloren. Ertrinkende Mütter mussten ihre Kinder fallen lassen, die sie bis zur letzten Sekunde hoch über dem Kopf gehalten hatten.
    Der Flammenwirbel sog an seiner Basis Luft nach und löste einen Feuersturm von Hurrikanstärke aus, der brüllend ins Zentrum des Brandes fegte und die Feuersbrunst nährte. So gewaltig waren die wirbelnd tobenden Aufwinde, dass amerikanische Flugzeuge, die über der Stadt kreisten, um Luftaufnahmen zu machen, meterhoch emporgeschleudert wurden.
    Viele von denen, die in jener Nacht starben, waren einfach hilflos erstickt. Die gierigen Flammen hatten ihnen buchstäblich den Atem aus den Lungen gerissen.
    Die Japaner, die keine wirksame Luftabwehr mehr hatten, waren den Bomberwellen, die ihre Phosphorbrände über die Stadt verteilten, hilflos ausgeliefert. Feuerwehrmänner wein ten vor Verzweiflung und Scham, während sie nutzlose Schläuche zu den Flammenwänden hinüberzerrten. Die geborstenen, dampfenden Wasserrohre lieferten nur noch träge Rinnsale.
    Als der Morgen dämmerte, schwelte die Stadt immer noch, und an jedem Trümmerhaufen leckten winzige Flammenzungen, die nach Resten von Brennbarem suchten. Wo man hinsah, lagen Tote. Einhundertunddreißigtausend. Die verkohlten, geschrumpften Leichen wurden wie Holzscheite auf den Schulhöfen aufgeschichtet. Ältere Ehepaare starben eng aneinandergeschmiegt, die Körper in einer letzten Umarmung zusammengeschweißt. Die Kanäle waren verstopft von Toten, die auf dem immer noch warmen Wasser schaukelten.
    Schweigende Gruppen von Überlebenden wanderten auf der Suche nach Angehörigen von einem Haufen verkohlter Leichname zum andern. Unter jedem Stoß fand man eine Anzahl Münzen, die bis zum Schmelzpunkt erhitzt worden waren und sich bis zum Erdboden durch die Toten hindurchgebrannt hatten. Eine fleischlose junge Frau wurde in einem Kimono gefunden, der vom Feuer unberührt geblieben schien, doch als man den Stoff anfasste, zerfiel er zu Asche.
    In späteren Jahren hatten die Westmächte ein schlechtes Gewissen wegen der Vorkommnisse in Hamburg und Dresden, denn dort hatte es sich um Opfer europäischer Völker gehandelt. Nach der Bombardierung von Tokio am 9. März jedoch beschrieb das Time -Magazin diesen Luftangriff als einen »Traum, der Wirklichkeit geworden ist«, als Experiment, an dem man erkenne, dass »richtig in Brand gesetzte japanische Städte wie Zunder brennen«.
    Und noch stand Hiroshima bevor.
    Während der Fahrt saß General Kishikawa steif und stumm auf seinem Platz; sein Atem ging so flach, dass man unter dem zerdrückten Zivilanzug, den er trug, keine Bewegung sah. Selbst als das Grauen der Wohnviertel von Tokio hinter ihnen lag und der Zug in die unvergleichliche Schönheit der Berge und Hochplateaus hinaufstieg, sagte Kishikawa-san kein Wort. Um das Schweigen zu brechen, erkundigte sich Nikolai höflich nach der Tochter des Generals und nach seinem kleinen Enkel in Tokio. Doch kaum hatte er die Frage ausgesprochen, da wusste er, was geschehen sein musste. Warum sonst hätte der General wohl in diesen letzten Kriegsmonaten Urlaub bekommen?
    Als er endlich sprach, war Kishikawa-sans Blick freundlich, doch Nikolai konnte tiefe Trauer und

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