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Shibumi: Thriller (German Edition)

Shibumi: Thriller (German Edition)

Titel: Shibumi: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevanian
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tröstete sich mit dem Gedanken, dass Kishikawa-san wenigstens der Demütigung entgangen war, in die brutale Maschinerie der Kriegsverbrecherkommission zu geraten, wo die Gerechtigkeit durch einen tief verwurzelten Rassenhass pervertiert wurde, der japanische Amerikaner in Konzentrationslager geschickt hatte, während Deutsch- und Italo-Amerikaner (ansehnliche Wählergruppen) von der Rüstungsindustrie profitieren durften; und das trotz der bekannten Tatsache, dass die Nisei-Soldaten in der amerikanischen Armee ihren Patriotismus hinlänglich bewiesen hatten, indem sie zu den am meisten ausgezeichneten und dezimierten Einheiten gehörten – und zwar, obwohl man sie dadurch demütigte, dass sie aus Angst vor ihrer Loyalität japanischen Truppen gegenüber nur auf dem europäischen Kriegsschauplatz eingesetzt wurden. Die japanischen Kriegsverbrecherprozesse waren von derselben rassistischen Idee des Untermenschentums infiziert, die es zugelassen hatte, dass eine Uranbombe auf ein bereits um Frieden bittendes, besiegtes Land geworfen wurde und dass ihr kurz darauf aus Gründen wissenschaftlicher Neugier auch noch eine größere Plutoniumbombe folgte.
    Was Nikolai am stärksten bedrückte, war, dass die große Masse der Japaner die Bestrafung ihrer militärischen Führer sogar guthieß – und zwar nicht aus dem japanischen Motiv, dass viele von ihnen ihre persönliche Gier nach Macht und Ruhm vor die Interessen ihres Landes und Volkes gestellt hatten, sondern aus dem abendländischen Grund, dass diese Männer irgendwie gegen rückwirkende, auf einer fremden Moralvorstellung beruhende menschliche Verhaltensmaßregeln verstoßen hatten. Viele Japaner schienen nicht zu begreifen, dass hier die Propaganda der Sieger zur Geschichte der Besiegten wurde.
    Jung und innerlich vereinsamt, in einer prekären Situation im Schatten der Besatzungsmächte überlebend, deren Wertmaßstäbe und Methoden er nicht annehmen wollte, brauchte Nikolai ein Ventil für seine Energie und Frustration. Und fand es in seinem zweiten Jahr in Tokio in einer Beschäftigung, die ihn aus der wimmelnden schmutzigen Großstadt in die nicht besetzten, von Amerikanern unbehelligten Berge führte: der Höhlenforschung.
    Er hatte es sich angewöhnt, mit den jungen Japanern zu Mittag zu essen, die in der Kraftfahrzeugabteilung des San Shin arbeiteten, weil er sich unter ihnen wohler fühlte als bei den ständig mit metallischer Stimme witzelnden amerikanischen Kryptographen. Da Englischkenntnisse auch für den niedrigsten Job Voraussetzung waren, hatten die meisten in der Kfz-Abteilung eine Universität besucht, und einige der Männer, die Jeeps wuschen und Offiziere chauffierten, waren Diplom-Ingenieure, die in einem ruinierten Land ohne Arbeitsstellen ihren Lebensunterhalt nicht anders verdienen konnten.
    Zuerst waren die jungen Japaner steif und verlegen in Nikolais Gegenwart, aber es dauerte nicht lange, und sie akzeptierten ihn in der offenen, freien Art der Jugend als grünäugigen Japaner. Er wurde in ihren Kreis aufgenommen und teilte sogar ihren rauen, hämischen Spott über die sexuellen Missgeschicke der amerikanischen Offiziere, die sie chauffierten. All diese Witze hatten dieselbe lächerliche Figur zum Gegenstand: den stereotypen Amerikaner, der pausenlos und blindlings geil, aber faktisch unfähig ist.
    Während einer dieser Mittagspausen, als alle unter dem Wellblechdach eines Wetterschutzes saßen und aus Blechbüchsen Reis und Fisch, die Ration für die japanischen Hilfswilligen, aßen, kam auch das Thema Höhlenforschung zur Sprache. Drei der ehemaligen Studenten waren begeisterte Höhlenforscher oder waren es wenigstens vor dem letzten, verzweifelten Kriegsjahr und dem Chaos der Besetzung gewesen. Sie sprachen von den Freuden und Mühen ihrer Expeditionen in die Berge und beklagten es, dass sie jetzt weder das nötige Geld noch die nötige Ausrüstung dafür besaßen. Nikolai lebte zu dieser Zeit schon sehr lange in der Stadt, deren Lärm und Gedränge seine sensiblen, ans ruhige Dorfleben gewöhnten Nerven quälte. Er fragte die jungen Männer über den Höhlensport aus und erkundigte sich, was für Proviant und Ausrüstungsgegenstände man dazu brauchte. Wie sich herausstellte, war das zwar nicht viel, jedoch bei dem Almosen, das ihnen die Besatzungsmächte zahlten, dennoch für sie unerschwinglich. Nikolai erbot sich zu besorgen, was sie benötigten, wenn sie ihn mitnehmen und in diesen Sport einführen würden. Sein Angebot wurde

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