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Shibumi: Thriller (German Edition)

Shibumi: Thriller (German Edition)

Titel: Shibumi: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevanian
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begeistert angenommen, und zwei Wochen später fuhren sie zu viert für ein Wochenende in die Berge, kletterten bei Tag in den Höhlen herum und verbrachten die Nächte in billigen Gebirgskneipen, wo sie zu viel Sake tranken und bis tief in die Nacht hinein diskutierten, wie es gescheite junge Männer auf der ganzen Welt tun; ihre Gespräche führten vom Wesen der Kunst über derbe Zweideutigkeiten zu Zukunftsplänen, zu an den Haaren herbeigezogenen Wortspielereien, zu improvisierten haiku, zu schlüpfrigen Späßen, zu Politik, zu Sex, zu Erinnerungen, zum Schweigen.
    Schon nach der ersten Stunde unter der Erde war Nikolai klar, dass dies der geeignete Sport für ihn war. Sein biegsamer, drahtiger Körper schien wie geschaffen für das Gleiten durch enge Passagen. Die rasche, genaue Berechnung von Methode und Risiko wurde erleichtert durch das Denktraining, das ihm das Go-Spiel vermittelt hatte. Und die Faszination der Gefahr war für ihn geradezu unwiderstehlich. Bergsteigen hätte ihm nicht zugesagt, denn der dabei in aller Öffentlichkeit zur Schau gestellte Wagemut beleidigte sein Gefühl für shibumi und würdevolle Zurückhaltung. In den Höhlen jedoch waren Risiko und Wagemut etwas Persönliches, Stilles, Unbeobachtetes; und sie besaßen obendrein die Würze, dass hier primitive, animalische Ängste mitspielten. Arbeitete man sich senkrecht einen Kamin hinab, so erweckte die Angst vor dem Fallen, die allen Tieren angeboren ist, einen Nervenkitzel, der noch verstärkt wurde durch das Bewusstsein, dass man in gähnende schwarze Leere hinabstürzen würde und nicht in die dekorative Landschaft, die der Bergsteiger unter sich sieht. In den Höhlen spürte man die ständige Gegenwart von Kälte und Nässe, Auslöser für Urängste des Menschen, die beim Höhlenkletterer durchaus begründet sind, denn die meisten schweren und tödlichen Unfälle in diesem Sport sind auf Unterkühlung zurückzuführen. Außerdem waren da die animalische Furcht vor der Dunkelheit, vor der endlosen Schwärze, und der stets gegenwärtige Gedanke an die Möglichkeit, sich im Labyrinth der Spalten und Durchbrüche zu verirren, die zum Teil so eng waren, dass an Umkehren aufgrund der Beschaffenheit des menschlichen Körpers nicht zu denken war. Plötzliche Überschwemmungen konnten die engen Höhlen binnen weniger Minuten ohne Vorwarnung unter Wasser setzen. Und hinzu kam das ständige bedrückende Gefühl, dass dicht über dem Kletterer, häufig sogar seinen Rücken streifend, wenn er durch einen engen Tunnel kroch, Tausende von Tonnen Fels hingen, die eines Tages unweigerlich der Schwerkraft gehorchen und den Durchgang verschütten würden.
    Es war der perfekte Sport für Nikolai.
    Besonders die subjektiven Gefahren empfand er als anregend und attraktiv. Es machte ihm Freude, Geisteskraft und Körperbeherrschung gegen die geheimsten und primitivsten Ängste des Tieres in sich zu setzen, die Angst vor der Dunkelheit, vor dem Fall, die Angst vor dem Ertrinken, vor der Kälte und vor der Einsamkeit, das Risiko, dort unten auf ewig verlorenzugehen, die ständig von der Vorstellungskraft berufene Erosion der vielen Tonnen Gestein über ihm. Hauptverbündete des Höhlensportlers sind Logik und umsichtiges Planen. Seine größten Feinde sind Fantasie und Panik. Für einen Höhlensportler ist es leicht, ein Feigling, und schwer, tapfer zu sein, denn er arbeitet allein, ungesehen, unkritisiert, ungelobt. Nikolai freute sich über die Gegner, die sich ihm stellten, und über die geheime Arena, in der er ihnen entgegentrat. Er genoss den Gedanken, dass die meisten seiner Feinde in ihm selbst steckten und dass seine Siege unbemerkt blieben.
    Und dann gab es das unvergleichliche Entzücken des Wiederauftauchens aus der Höhle. Langweilige, alltägliche Dinge gewannen nach mehreren Stunden unter der Erde an Farbe und Wert, vor allem, wenn eine besiegte Gefahr hinter ihm lag. Er atmete die frische Luft mit gierigen Zügen ein. Eine Tasse bitterer Tee wärmte die steif gefrorenen Hände, erfreute das Auge mit seiner satten Farbe, duftete köstlich, glitt wie eine Hitzewelle durch die Kehle, war ein Bankett subtil abgestufter Aromen. Der Himmel leuchtete in eindrucksvollem Blau, das Gras war auffallend grün. Es tat gut, von einem Kameraden einen kräftigen Schlag auf den Rücken zu bekommen, von einer menschlichen Hand berührt zu werden. Es tat wohl, Stimmen zu hören und Geräusche zu machen, die die eigenen Gefühle verrieten, die eigenen Ideen

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