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Shibumi: Thriller (German Edition)

Shibumi: Thriller (German Edition)

Titel: Shibumi: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevanian
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ungeachtet Nikolais Erklärung, er suche für ein Experiment, das er vorhabe, gerade nasse Streichhölzer.
    Am folgenden Morgen erwachte Nikolai mit einem Sakekater und einer recht verschwommenen Erinnerung an sein Gespräch mit Herrn Watanabe, mit dem er am Abend zuvor s oba an einer Bude gegessen hatte, die mit einem Vordach ausgestattet war, damit der Regen den Gästen nicht in die Suppe platschte; aber er erfuhr schon bald, dass er einen ständigen Logiergast hatte. Innerhalb einer Woche nistete sich in Herrn Watanabe das Gefühl ein, er sei für Nikolai und den Tagesablauf im Asakusa-Haus unentbehrlich, und es wäre unfreundlich von ihm, diesen einsamen jungen Mann zu verlassen.
    Die Tanaka-Schwestern wurden einen Monat später Haushaltsmitglieder. Als Nikolai in der Mittagspause einen Spaziergang im Hibiya-Park machte, begegnete er den beiden robusten Landmädchen von achtzehn und einundzwanzig Jahren, die vor einer Überschwemmung im Norden mit darauffolgender Hungersnot geflohen und nun so arm waren, dass sie sich den Passanten anbieten mussten. Nikolai war ihr erster potenzieller Kunde, daher sprachen sie ihn so ungeschickt und schüchtern an, dass er trotz seines Mitleids lachen musste, denn erfahrenere Dirnen hatten ihnen einen spärlichen englischen Wortschatz beigebracht, der nur aus den drastischsten und vulgärsten Bezeichnungen für anatomische Einzelheiten und sexuelle Spielarten bestand. Kaum hatten sie sich im Asakusa-Haus eingenistet, verwandelten sie sich wieder in fleißige, fröhlich kichernde Bauernmädchen und wurden zum Gegenstand der ewigen Sorge – und bekümmerten Zuneigung – des Herrn Watanabe, der sehr strenge Vorstellungen vom geziemenden Verhalten junger Mädchen besaß. Es ergab sich ganz natürlich, dass die Tanaka-Schwestern bald Nikolais Bett teilten, wo ihre angeborene bäuerliche Vitalität im spielerischen Erproben ungewöhnlicher und häufig unwahrscheinlich akrobatischer Stellungen Ausdruck fand. Sie befriedigten das Verlangen des jungen Mannes nach sexueller Verwirklichung, unbelastet von emotionalem Engagement über Zuneigung und Zärtlichkeit hinaus.
    Wie Frau Shimura, die neueste Mitbewohnerin, in sein Haus gekommen war, konnte Nikolai nicht genau sagen. Sie war einfach da, als er eines Abends heimkam, und blieb. Frau Shimura war Mitte sechzig, rau, verdrießlich, ständig mürrisch, unendlich gut und eine wunderbare Köchin. Zwischen Herrn Watanabe und ihr gab es einen kurzen Kampf um die Territorialherrschaft, der auf der Walstatt des täglichen Marktganges ausgefochten wurde, denn Herr Watanabe war für die Haushaltskasse verantwortlich, während Frau Shimura über die tägliche Speisefolge zu entscheiden hatte. Schließlich vereinbarten sie, die Lebensmitteleinkäufe gemeinsam zu tätigen, sie für die Qualität, er für die Preise verantwortlich; und wehe dem armen Gemüsehändler, der ins Kreuzfeuer ihrer Gefechte geriet.
    Nikolai sah in seinen Gästen keine Dienstboten, einfach weil sie sich nicht als solche fühlten. Im Gegenteil, es war Nikolai, der keine genau festgelegte Rolle und die damit verbundenen Rechte im Haus zu haben schien, außer der, dass er das Geld verdiente, von dem sie alle lebten.
    Während dieser Monate der Freiheit und der neuen Erfahrungen entwickelten sich Nikolais Verstand und Gefühle auf vielen verschiedenen Gebieten. Den Muskeltonus bewahrte er sich durch das Studium und die Ausübung eines geheimnisvollen Zweiges der Kriegskunst, der den Gebrauch einfacher Haushaltsartikel als tödliche Waffen lehrt. Ihn faszinierte die mathematische Klarheit und kalkulierte Präzision dieses raffinierten Kampfsystems, dessen Name traditionsgemäß niemals laut ausgesprochen, sondern durch Superponierung der Schriftzeichen hoda (nackt) und korosu (töten) dargestellt wurde. Während seiner ganzen späteren Laufbahn war Nikolai zwar nur selten bewaffnet, aber niemals ohne Waffe; denn in seinen Händen konnten ein Kamm, eine Streichholzschachtel, eine zusammengerollte Zeitung, eine Münze, ja sogar ein gefaltetes Blatt Papier zum Mordinstrument werden.
    Seinen Verstand übte er an den faszinierenden intellektuellen Problemen des Go-Spiels. Selber spielte er jetzt nicht mehr, dafür war dieses Spiel für ihn zu eng mit seinem Leben bei Otake-san, mit kostbaren und zarten, nun nicht mehr existierenden Dingen verknüpft; und es war besser, das Tor des Bedauerns fest zu verschließen. Aber er las immer noch Kommentare zu interessanten Partien und löste

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