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Shibumi: Thriller (German Edition)

Shibumi: Thriller (German Edition)

Titel: Shibumi: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevanian
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mitteilten, die Freunde amüsierten. Alles war neu, war da, um in vollen Zügen genossen zu werden.
    Für Nikolai besaß die erste Stunde nach dem Auftauchen beinahe die Erlebnisintensität, die er von seinen mystischen Entrückungen her kannte. In dieser kurzen Stunde, bevor Dinge und Erfahrungen wieder ins Alltägliche zurücksanken, war er beinahe eins mit dem goldenen Sonnenlicht und dem duftenden Gras.
    Die vier jungen Männer stiegen an jedem freien Wochenende in die Berge, und obwohl ihr Amateurniveau und die behelfsmäßige Ausrüstung ihnen höchstens erlaubte, in Höhlen herumzuklettern, die nach internationalem Forscherstandard recht bescheiden waren, wurde es jedes Mal ein gründlicher Test ihrer Willenskraft, ihres Durchhaltevermögens und ihrer Geschicklichkeit, gefolgt von Abenden voll Kameradschaft, Gesprächen, Sake und begeistert aufgenommenen harten Witzen. Obwohl Nikolai im späteren Leben weltweiten Ruhm für seine Teilnahme an wichtigen unterirdischen Expeditionen ernten sollte, blieben diese Übungsklettereien, was Spaß und Abenteuer betraf, unübertroffen.
    Als er dreiundzwanzig Jahre alt war, hatte Nikolai zu einem Lebensstil gefunden, der die meisten seiner Bedürfnisse befriedigte und ihn für die meisten Verluste entschädigte – bis auf den General Kishikawas. Zum Ersatz für die Otake-Familie hatte er sein Asakusa-Haus mit Menschen gefüllt, die in etwa die angestammten Rollen von Familienmitgliedern übernahmen. Er hatte seine Kindheit und eine noch fast kindliche Liebe verloren; doch er befriedigte seine körperlichen Bedürfnisse mithilfe der unverwüstlichen, erfindungsreichen Tanaka-Schwestern. Seine ehemals alles beherrschende Beschäftigung mit den geistigen Übungen und Freuden des Go-Spiels war von den emotionalen und körperlichen des Höhlensports abgelöst worden. Auf eine seltsame und nicht ganz gesunde Art machte sein quälender Hass auf die Nationen, die sein Volk und seine Jugend zerstört hatten, sich durch das Training im hoda-korosu -Kampfstil Luft; denn während der Übungsstunden stellte er sich immer vor, rundäugige Gegner vor sich zu haben, und dann war ihm wohler.
    Der größte Teil dessen, was er verloren hatte, war persönlich und lebendig gewesen, der Ersatz dafür war zum größten Teil mechanisch und äußerlich; aber die Kluft, die dazwischenlag, wurde weitgehend durch seine gelegentlichen Ausflüge in den Seelenfrieden mystischer Erlebnisse überbrückt.
    Der beschwerlichste Teil seines Lebens waren die vierzig Wochenstunden, die er im Untergeschoss des San-Shin-Gebäudes mit bezahlter Fronarbeit verbrachte. Erziehung und Ausbildung hatten ihn mit den inneren Ressourcen zur Befriedigung seiner Bedürfnisse auch ohne energieverschlingende Tätigkeit zum Broterwerb ausgestattet, wie sie für die Männer seiner gleichmacherischen Abteilung lebensnotwendig war, da es ihnen schwerfiel, sich ohne Arbeit die Zeit zu vertreiben und ihre Daseinsberechtigung nachzuweisen. Vergnügen, Lernen und Bequemlichkeit waren für ihn ausschlaggebend; er brauchte weder die Krücke der Anerkennung noch die Bestätigung der Macht oder das Narkotikum der Ausschweifung. Die Umstände erforderten es leider, dass er Geld verdiente, und ironischerweise ausgerechnet bei den Amerikanern. (Obwohl Nikolais Kollegen ein Sammelsurium aus Amerikanern, Briten und Australiern waren, herrschten die amerikanischen Methoden, Wertmaßstäbe und Zielsetzungen vor, daher sah er in den Briten bald unvollständige und in den Australiern angehende Amerikaner.)
    Die Amtssprache im Crypto Center war Englisch, doch Nikolais Gefühl für Wohlklang schreckte vor dem halbverschluckten Brei und dem affektierten Gewinsel der britischen Oberschicht ebenso zurück wie vor dem metallischen Geschwätz und dem Bogensehnen-Singsang der Amerikaner und entwickelte einen ganz persönlichen Akzent, der zwischen den amerikanischen und den britischen Lauten lag. Dieser Kunstgriff veranlasste seine englischsprechenden Bekannten sein Leben lang, ihn für einen Muttersprachler zu halten, der aber »von anderswo« stammte.
    Zuweilen suchten die Kollegen Nikolai in ihre Pläne für Ausflüge oder Partys einzubeziehen; es wäre ihnen nicht im Traum eingefallen, dass das, was sie als freundlich herablassende Geste einem Fremden gegenüber betrachteten, in Nikolais Augen anmaßende Gleichmacherei bedeutete.
    Doch diese ärgerliche Annahme ihrer Gleichwertigkeit verdross Nikolai nicht so sehr wie ihre kulturelle Konfusion. Die

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