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Shibumi: Thriller (German Edition)

Shibumi: Thriller (German Edition)

Titel: Shibumi: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevanian
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Augen. Es ist verwirrend.«
    Nikolai zwang sich zu einem Lächeln. »Ich werde mit einem Augenarzt sprechen, Sir. Vielleicht gibt es Mittel gegen diese Ungeschicklichkeit der Natur.«
    »Ja. Tu das.«
    »Ich verspreche es.«
    »Gut.« Der General wandte den Blick ab und schien Nikolais Gegenwart sekundenlang zu vergessen. Dann fragte er: »Und wie steht es sonst mit dir?«
    »Ganz gut. Ich arbeite bei den Amerikanern. Als Übersetzer.«
    »Wirklich? Und akzeptieren Sie dich?«
    »Sie ignorieren mich, aber das ist ebenso gut.«
    »Nein, besser.«
    Wieder entstand ein kurzes Schweigen, das Nikolai mit oberflächlichem Geplauder zu brechen suchte. Doch Kishikawa-san hob abwehrend die Hand.
    »Du hast natürlich Fragen an mich. Ich werde dir alles kurz berichten, und dann brauchen wir nicht mehr darüber zu sprechen.«
    Nikolai neigte zustimmend den Kopf.
    »Wie du weißt, war ich in der Mandschurei. Ich wurde krank – Lungenentzündung. Als ich mit hohem Fieber bewusstlos im Lazarett lag, griffen die Russen an. Und als ich wieder zu mir kam, befand ich mich in einem Umerziehungslager unter strenger Bewachung, so dass ich keine Möglichkeit hatte, jenen Weg zu gehen, auf dem so viele meiner Kameraden der Würdelosigkeit der Kapitulation und den Demütigungen der … Umerziehung entronnen sind. Außer mir gerieten nur noch ganz wenige Offiziere in Gefangenschaft. Die wurden deportiert, und man hat nie mehr etwas von ihnen gehört. Unsere Bewacher waren der Ansicht, Offiziere seien zur Umerziehung nicht geeignet oder ihrer nicht wert. Ich vermutete anfangs, mein Schicksal würde das Gleiche sein, und erwartete es mit so viel Gelassenheit, wie ich nur aufbringen konnte. Aber nein. Augenscheinlich glaubten die Russen, es könnte ihren Plänen für die Zukunft unseres Landes nützen, wenn sie einen gründlich umerzogenen Offizier im Generalsrang nach Japan schickten. Man wandte viele … viele Methoden an. Die körperlichen waren am leichtesten zu ertragen – Hunger, Schlafentzug, Schläge. Aber ich bin ein halsstarriger alter Mann und lasse mich nicht so leicht umerziehen. Da ich keine Verwandten in Japan habe, die als Geiseln hätten dienen können, ließ sich bei mir die emotionale Zuchtrute nicht anwenden, mit deren Hilfe man andere in die Knie gezwungen hatte. Eine lange Zeit verging. Anderthalb Jahre, glaube ich. Man kann den Jahreslauf nicht so gut verfolgen, wenn man nie Tageslicht sieht und wenn Standhaftigkeit gemessen wird an weiteren fünf Minuten … noch fünf Minuten … Fünf Minuten halte ich es noch aus.« Eine Weile verlor sich der General in Erinnerungen an erlittene Torturen. Dann nahm er, ganz leicht zusammenzuckend, seine Erzählung wieder auf. »Manchmal verloren sie die Geduld mit mir und begingen den Fehler, mir Ruhepausen der Bewusstlosigkeit zu schenken. So verging eine lange Zeit. Monate, in Minuten gemessen. Dann brachen sie plötzlich all ihre Bemühungen um meine Umerziehung ab. Ich nahm natürlich an, dass man mich töten würde. Aber sie hatten sich etwas viel Entwürdigenderes für mich ausgedacht. Ich wurde gebadet und entlaust. Eine Flugreise. Eine lange Eisenbahnfahrt. Noch eine Flugreise. Dann war ich hier. Einen Monat lang ließen sie mich im Unklaren über das, was sie mit mir vorhatten. Dann, vor zwei Wochen, erhielt ich den Besuch eines Oberst Gorbatow. Er war ganz offen zu mir. Jede Besatzungsmacht hatte ihr Kontingent an Kriegsverbrechern geliefert. Nur die Sowjets hatten keine zu bieten und erhielten somit keine unmittelbare Beteiligung an der Maschinerie der internationalen Justiz. Das heißt, bis ich kam.«
    »Aber, Sir …«
    Kishikawa-san hob beschwichtigend die Hand. »Ich beschloss, mich dieser letzten Demütigung zu entziehen. Aber ich hatte keine Möglichkeit zur Befreiung. Einen Gürtel haben sie mir nicht gelassen. Meine Kleidung besteht, wie du siehst, aus fester Leinwand, die zu zerreißen ich nicht die Kraft habe. Ich esse mit einem Holzlöffel aus einem hölzernen Napf. Ich darf mich nur elektrisch rasieren, und auch das nur unter strenger Aufsicht.« Der General lächelte ein trübes Lächeln. »Die Sowjets schätzen mich anscheinend sehr. Der Gedanke, sie könnten mich verlieren, macht ihnen Sorge. Vor zehn Tagen begann ich zu hungern. Es fiel mir leichter, als du dir vorstellen magst. Man drohte mir zwar, doch wenn ein Mensch entschlossen ist nicht weiterzuleben, so beraubt er den Gegner der Macht, wirksame Drohungen auszusprechen. Schließlich … schnallten

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