Shimmer
besiegelt.
»Wohlan, fahren wir zur Familie«, sagte Claudia.
29
Sanjiv Adanis Wohnung war kein Tatort.
Die Adanis hatten Sam und Martinez keine weiteren Hinweise gegeben, mit denen sie hätten arbeiten können, und die Durchsuchung des Apartments im oberen Stock eines zweistöckigen Hauses an der Bay Road, wenige Blocks von der Lincoln Road Mall entfernt, förderte auch keine neuen Erkenntnisse zutage.
Im Leben eines Toten herumzuwühlen war Sam noch nie leichtgefallen. War das Opfer jedoch so ordentlich wie Sanjiv Adani, war der Job rasch erledigt, auch wenn gerade in diesen Fällen nur selten greifbare Ergebnisse erzielt werden konnten: Es gab keine verräterischen Flecken, kein ungespültes Geschirr, an dem man DNA-Spuren hätte finden können, keinen Müll zum Durchwühlen, nicht einmal interessante Post-it-Sticker an der Kühlschranktür.
Sanjiv Adani war ein ordentlicher, sauberer und nach außen hin sehr konventioneller Mann gewesen. Die Einrichtung war von seiner Herkunft und seiner guten Hotelausbildung geprägt.
»Alles ordentlich, sauber und qualitativ hochwertig«, bemerkte Sam. »Das ist nicht nur Show.«
»Und wie passt ein männlicher Nachtclubtänzer dazu?«, fragte Martinez.
»Vielleicht hat er sich verknallt«, antwortete Sam.
»Die Lust nicht zu vergessen«, ergänzte Martinez.
Die Fotos in Adanis Wohnzimmer zeigten allesamt seine Familie, doch auf seinem Nachttisch stand ein schwarz-weißes Publicityfoto eines barbrüstigen, muskulösen, gutaussehenden jungen Mannes mit dunklem Teint. Darunter stand mit dickem blauem Stift: Für Sanjiv, von deinem verrückten Jungen, Eddie.
»Er hat es auch nach der Trennung behalten«, sagte Martinez. »Dann scheint es wirklich Liebe gewesen zu sein.«
»Oder Besessenheit«, entgegnete Sam.
Sie fanden nichts in der Wohnung, was auf einen ausschweifenden Lebensstil hingedeutet hätte. Tylenol und eine alte Flasche Valium waren die einzigen Pillen im Badezimmerschrank. Daneben standen ein paar Nasensprays, eine Sammlung Eau de Colognes, Bodylotion und Deos. Ein alter Roman von Dominick Dunne mit einem scharlachroten Lederlesezeichen auf Seite 32 lag neben dem ordentlich gemachten Bett. Die Kissen waren von guter Qualität, das saubere Leinentuch blau; eine Tagesdecke gab es nicht. Obenauf lag ein gebügeltes und gestärktes schwarzes Leinenhemd.
»Vielleicht hat er das als ungeeignet aussortiert«, schloss Sam, »als er sich für den Abend fertiggemacht hat.«
»Das ist doch klasse«, sagte Martinez.
»Vielleicht nicht so klasse wie die Sachen, die er schließlich getragen hat«, erwiderte Sam.
Sie fanden keinerlei Hinweise darauf, wo Sanjiv am Donnerstagabend gewesen sein könnte. Auf seinem Computer – den sie zwecks weiterer Untersuchungen mitnehmen würden –, fand sich nichts, und es gab kein Tagebuch und keinen Eintrag im Wandkalender.
»Er hat nicht mal den Geburtstag seiner Mutter eingetragen«, bemerkte Martinez.
»Wahrscheinlich hatte er das Datum im Kopf und brauchte es sich nicht zu notieren«, sagte Sam. »Oder er hat noch einen anderen Kalender, im Hotel womöglich, den wir noch nicht gesehen haben.«
Sie wussten bereits, dass Adani kein eigenes Büro im Montreal gehabt hatte, nur einen Stahlspind, in dem sie eine saubere Unterhose, ein gestärktes weißes Baumwollhemd und einen weinroten Schlips mit dem »M« des Hotels gefunden hatten, dazu ein Buch über das Ritz in Paris.
»Ist das alles hier ein bisschen zu antiseptisch, oder meine ich das nur?«, fragte Martinez.
»Nein, du könntest recht haben«, erwiderte Sam und schaute sich noch einmal im Wohnzimmer um. »Vielleicht ist es aber auch so, wie wir dachten. Vielleicht war er nur ein braver, gut erzogener Sohn.« Er hielt kurz inne. »Aber mit eigenen Träumen.«
»Und einem geilen Tänzer als Exfreund«, fügte Martinez hinzu.
Eddie Lopéz hatte eine Strafakte: zu schnelles Fahren, Besitz gestohlenen Eigentums, Verdacht auf illegale Prostitution.
»Und eine Verhaftung wegen häuslicher Gewalt«, bemerkte Sam, als sie wieder im Büro waren.
Damit stand Lopéz ganz oben auf ihrer Liste, doch da das Satin – der Nachtclub in Little Havanna, den Anjika Adani erwähnt hatte – erst Abends aufmachte und niemand auf die Türklingel oder das Telefon reagierte, hatten Sam und Martinez beschlossen, stattdessen noch einmal ins Hotel Montreal zu fahren. Lopéz anhand des Telefonbuchs zu finden, war ohnehin unmöglich; dafür gab es in der Gegend um Miami deutlich zu
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