Shimmer
konnte, denn Claudia war auf dem Flug nach Seattle. Doch wenn die Maschine Sitztelefone hatte ...
Grace schloss die Haustür, ließ ihr Baby im Kinderwagen und eilte zum Telefon.
»Grace, ich bin es, Claudia. Bitte nimm ...«
Grace schnappte sich den Hörer. »Schwester, hier bin ich. Alles in Ordnung bei dir?«
»Nein.« Claudia war kaum zu hören. »Ich bin bei Papa.«
»Warum?« Verwirrung und ein erster Anflug von Wut ließ Grace’ Stimme höher klingen. »Was ist denn passiert?«
»Hör einfach zu, um Himmels willen!« Die Stimme war noch immer kaum hörbar und klang stark gedämpft. »Ich glaube, hier geht etwas verdammt Übles vor.«
»Was denn?« Der Gedanke traf Grace wie ein Schlag. »Hat es etwas mit Jerome ...?«
»Grace, du musst ...«
Ein Klicken, und die Leitung war unterbrochen.
»Ich bin unterwegs«, sagte Sam aus dem Saab. »Um zehn bin ich zu Hause.«
Alvarez hatte ihm gesagt, er solle den Tag frei nehmen und den Adani-Fall vorläufig an Martinez übergeben. Beth Riley sollte Martinez unterstützen, bis Sam wieder zurück war. Die erste Aufgabe des Teams würde darin bestehen, die Nachtclubs in der Nähe der Stelle zu überprüfen, wo Mildred die beiden Männer auf das Tandem hatte steigen sehen.
»Ich versuche ständig, sie zurückzurufen«, sagte Grace, »aber ihr Handy ist ausgeschaltet.«
»Hast du es noch mal bei der Nummer deines Vaters versucht?«
»Keine Antwort.« Grace war beinahe krank vor Angst. »Sam, ich habe ein verdammt ungutes Gefühl bei der Sache.«
Und Sam vertraute dem Gefühl seiner Frau.
»Ich werde im Sheriffbüro von Cook County anrufen«, sagte er, »und sie bitten, mal nachzusehen.«
»Ich muss zum Flughafen«, sagte Grace. »Ich muss nach Chicago und herausfinden, was da los ist.«
»Wenn jemand nach Chicago fliegt, dann ich«, erklärte Sam.
»Sie ist meine Schwester ...«
»Keine Diskussion.«
56
Claudia hatte es gewusst, kaum dass die andere Frau die Tür aufgemacht hatte.
Dieser Besuch war keine gute Idee gewesen.
Jeromes Mutter wirkte ungepflegt. Sie trug einen hässlichen Morgenrock aus Velours, dessen Reißverschluss sie bis zum Hals zugezogen hatte, und ihre Füße steckten in dicken Socken. Soweit Claudia sehen konnte, ähnelte sie ihrem Sohn kein bisschen.
Die beiden Frauen waren sich noch nie begegnet; dennoch schien die ältere Frau ihre Besucherin sofort zu erkennen. Ihre Augen waren voller Abscheu.
»Ich bin Claudia.« Claudia hatte das Verlangen unterdrückt, einfach davonzulaufen; stattdessen hatte sie die Hand ausgestreckt.
»Ja«, hatte Roxanne Lucca erwidert.
Die dargebotene Hand hatte sie nicht genommen, war aber einen Schritt ins Haus zurückgetreten.
»Du solltest lieber reinkommen.«
Das ist deine letzte Gelegenheit zur Flucht.
Doch Claudia wollte nicht mehr feige sein.
Und so betrat sie das Haus.
57
Niemand habe aufgemacht, berichtete Sam seiner Frau, als die Streifenpolizisten von Cook County am Haus der Luccas in Melrose Park geklingelt hatten.
»Auch ist weder ein Notruf eingegangen, noch deutet sonst etwas auf Ärger hin«, sagte er.
Im Klartext hieß das, die Polizei hatte keinerlei Handhabe für eine genauere Überprüfung.
»Der nächste Flug von Miami geht um ein Uhr dreißig«, sagte Grace. »Um vier Uhr Ortszeit können wir in Chicago sein.«
»Nicht ›wir‹«, blieb Sam hartnäckig. »Das habe ich dir doch schon gesagt.«
»Wir könnten Joshua bei deinem Dad absetzen.«
»Könnten wir, werden wir aber nicht.« Sam war schon halb die Treppe hinauf und schnallte beim Gehen seine Waffe ab. Natürlich hätte er sie gerne mitgenommen, doch er wäre damit nie durch die Sicherheitskontrollen am Flughafen gekommen, und in Chicago, außerhalb seines Zuständigkeitsbereichs, hätte es ihm nur Ärger eingebracht.
»Das ergibt keinen Sinn.« Grace folgte ihrem Mann ins Schlafzimmer und schaute zu, wie er seine Glock wegschloss. »Claudia verlässt sich auf mich.«
»Sie verlässt sich auf uns «, erinnerte Sam sie. »Damit dir das klar ist, Gracie: Was immer im Haus deines Vaters vor sich geht, und ganz egal, ob Frank, seine Frau oder Cooper dahinterstecken ...«, er überprüfte seine Börse, die Kreditkarten und den Ausweis, »... du wirst auf gar keinen Fall einen Fuß da reinsetzen.«
»Dann lass mich wenigstens in der Nähe sein. Ich kann ja draußen warten.«
»Und wenn Claudia noch mal anruft und keiner mehr hier ist?« Sam blieb auf dem Weg zurück zur Tür kurz stehen, nahm Grace’
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