Shining Girls (German Edition)
Park, der ihr gesagt hatte, er würde sie töten?
Es ist schrecklich, einem Kind so etwas zu sagen, denkt sie, aber sie sagt: «Möchten Sie etwas trinken?» Sie spielt die höfliche Gastgeberin, als hätte sie irgendetwas anderes anzubieten als Wasser aus einem farbverschmierten Glas.
Ihr Bett hat sie vor zwei Wochen verkauft, aber sie hat auf dem Bürgersteig ein kaputtes Sofa gefunden und Huxley dazu verführt, ihr beim Hochschleppen zu helfen und es einzuweihen, weil, das weißt du doch, Cat, umsonst schufte ich mich nicht so ab.
«Sie haben mir gesagt, ich würde leuchten. Wie das Feuerwerk. Beim
Taste of Chicago
. Wissen Sie noch?» Sie dreht mitten im Zimmer eine Pirouette und fällt beinahe hin. Wann hat sie das letzte Mal etwas gegessen? Am Dienstag?
«Aber es stimmt nicht.»
«Nein», sagt sie. Sie lässt sich schwer auf dem Sofa nieder. Die Kissen liegen auf dem Boden. Sie hat auf der Suche nach Krümeln angefangen, die Säume aufzureißen. Auf der Suche nach einem Stückchen steinhartem Brot, das sie vielleicht übersehen hat. Früher hatte sie einen Staubsauger, mit dem sie die Spalten zwischen den Bodendielen absaugen und den Staubsaugerbeutel durchsuchen konnte, wenn sie so richtig verzweifelt war. Aber sie weiß irgendwie überhaupt nicht, was aus dem Staubsauger geworden ist. Wie betäubt starrt sie die Schundromane vor sich auf dem Boden an, aus denen sie Seiten herausgerissen hat. Es war erlösend, das zu tun, auch ohne sie hinterher zu bemalen. Zerstörung ist ein natürlicher Trieb.
«Du leuchtest nicht mehr.» Er hält ihr die Haarspange hin, damit sie sie nimmt. «Ich muss trotzdem wieder zurückgehen», sagt er wütend. «Um den Kreis zu schließen.»
Benommen nimmt sie die Haarspange. Das rosa Häschen hat die Augen geschlossen, zwei kleine X und noch eins für die Schnauze. Catherine denkt darüber nach, es zu essen. Eine Hostie für die Konsumgesellschaft. Das wäre sogar eine gute Idee für ein Theaterstück. «Ich weiß. Es tut mir leid, ich glaube, es liegt an den Drogen.» Aber sie weiß, dass das nicht stimmt. Es liegt an dem Grund, aus dem sie die Drogen nimmt. Genau wie ihr die Vorstellungskraft für ihre Kunst wegrutscht, bekommt sie die Welt nicht in den Griff. Es ist zu viel für sie. «Werden Sie mich trotzdem umbringen?»
«Warum soll ich meine Zeit verschwenden?» Das ist keine Frage.
«Sie sind schließlich gekommen. Oder? Ich meine, Sie sind hier. Das ist keine Einbildung.» Sie umschließt die Klinge mit der Hand, aber er zieht sie weg. Durch den Schmerz in ihrer Handfläche fühlt sie sich so lebendig wie schon lange nicht mehr. Das Gefühl ist rein und brennend. Nicht wie die Nadel, die sich in die Haut zwischen ihren Fingern bohrt, das Crack mit klarem Essig vermischt, damit man es injizieren kann. «Sie haben es mir damals versprochen.»
Sie umklammert seine Hand, und er grinst höhnisch, aber einen Moment lang flackern Panik und Ekel auf seinem Gesicht auf. Sie kennt diesen Blick, sie hat ihn bei Leuten gesehen, denen sie die Geschichte aufgetischt hat, sie bräuchte Geld für den Bus, weil man sie ausgeraubt hätte und sie sonst nicht nach Hause käme. Hat sie nicht genau darauf gewartet? Auf den Moment ihrer Ermordung? Weil sie den Ort erreichen muss, an dem die Bilder in ihrem Kopf einen Sinn ergeben. Sie braucht ihn, damit er sie dorthin bringt. Blut spritzt auf die Leinwand. Nimm das, Jackson Pollock.
Jin-Sook
23 . März 1993
Chicago Sun-Times
Brutaler Mord an engagierter Sozialarbeiterin erschüttert die Stadt
von Richard Gane
CABRINI GREEN – Gestern früh um fünf Uhr wurde an der Ecke West Schiller und North Orleans eine junge Sozialarbeiterin erstochen unter der EL -Hochbahnstrecke aufgefunden.
Jin-Sook Au ( 24 ) war Sachbearbeiterin beim städtischen Wohnungsamt und für eine der berüchtigtsten Sozialbausiedlungen zuständig. Dennoch weist die Polizei Spekulationen über einen Zusammenhang des Mordes mit Jugendbanden zurück.
«Wir geben zu diesem Zeitpunkt keine Einzelheiten heraus», sagte Detective Larry Amato. «Wir bitten jeden, der eine Zeugenaussage machen kann, dringend, sich bei uns zu melden.»
Die Leiche wurde zwei Blocks vom beliebten Szeneviertel Old Town mit seinen Restaurants und Clubs entdeckt. Bisher haben sich keine Zeugen gemeldet.
Die Mitarbeiter des Wohnungsamtes und die Bewohner von Cabrini Green stehen nach dem Mord unter Schock. Die Sprecherin des Wohnungsamtes, Andrea Bishop, sagte: «Jin-Sook war eine
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