Shining Girls (German Edition)
Boden geht. Er fesselt ihr die Handgelenke mit ihrem Kopfhörerkabel, weil er den Bindedraht im Haus gelassen hat. Er stopft ihr das Kopftuch in den Mund, um ihre Schreie zu dämpfen.
Aber es ist niemand da, der sie hören könnte, und sie braucht lange zum Sterben. Er versucht ausgeklügelter vorzugehen, um sich dafür zu entschädigen, dass es ihm keine Freude macht. Er rollt ihren Darm in einer Spirale um sie. Er schneidet ihr die Organe heraus und legt sie auf den Tisch, an dem sie unter der Lampe gearbeitet hat. Er stopft Tabakblätter in die klaffenden Wunden, sodass es aussieht, als würden Pflanzen aus ihrer Leiche wachsen. Er steckt den Pigasus-Anstecker an ihren Laborkittel. Er hofft, das wird genügen.
Er wäscht sich in der Damentoilette und stopft sein blutdurchtränktes Hemd in den Abfalleimer für Damenbinden. Er zieht einen Laborkittel über das blutbespritzte Jackett und verlässt das Gebäude. Um den Hals trägt er ihre Ausweiskarte, aber er hat sie umgedreht, sodass ihr Foto nicht zu sehen ist.
Bis er das alles getan hat, ist es vier Uhr früh geworden, und ein anderer Wachmann steht hinter dem Schalter. Er wirkt verwirrt und spricht in sein Funkgerät. «Ich habe es Ihnen doch gesagt, in der Herrentoilette habe ich schon nachgesehen. Ich weiß nicht, wo ich …»
«Na dann, gute Nacht», sagt Harper munter und geht an ihm vorbei aus dem Gebäude.
«Gute Nacht, Sir», sagt der Wachmann abgelenkt, er nimmt nur den Laborkittel und den Ausweis wahr und hebt automatisch die Hand zum Gruß. Die Unsicherheit überkommt ihn erst mit einer Sekunde Verzögerung, denn es ist wirklich sehr spät, und wie kommt es, dass er diesen Mann nicht kennt, und wo zum Teufel ist Jackson? Diese Unsicherheit wird in niederschmetternde Schuldgefühle umschlagen, wenn er in fünf Stunden bei der Polizei sitzt, um die Aufnahmen der Überwachungskamera vom Eingang des Labors anzuschauen, nachdem die Leichen der jungen Biologin und des Wachmanns entdeckt und er sich bewusst geworden ist, dass er ihren Mörder an sich hat vorbeispazieren lassen.
Oben in dem Labor breitet sich ein bläulicher Schimmer in dem Gold der konischen Röhrchen aus.
Dan
13 . Juni 1993
Dan entdeckt ihr wildes Haar augenblicklich. Es ist auch schwer zu übersehen, selbst im Gewühle der Ankunftshalle. Er denkt ernsthaft darüber nach, ob er zurück ins Flugzeug gehen soll, aber da ist es schon zu spät, sie hat ihn gesehen. Sie hebt zögernd die Hand. Es ist beinahe eine Frage.
«Ja, okay, ich sehe dich, ich komm ja schon», knurrt er vor sich hin, deutet auf das Gepäckband und tut so, als würde er einen Koffer herunterheben. Sie nickt energisch und beginnt durch die Menge auf ihn zuzunavigieren, vorbei an einer Frau im Tschador, der aussieht wie ihre mobile Sänfte mit zugezogenen Vorhängen, einer gestressten Familie, die Mühe hat beieinanderzubleiben, und einer deprimierenden Anzahl fettleibiger Reisender. Er hat nie verstanden, was an Flughäfen so glamourös sein soll. Das können nur Leute denken, die noch nie ab Minneapolis St. Paul geflogen sind. Einen Bus zu nehmen ist weniger nervtötend. Außerdem hat man auch noch eine bessere Aussicht. Das einzige Geheimnis beim Fliegen ist, warum sich nicht mehr Passagiere aus reiner Langeweile und Frustration gegenseitig erwürgen.
Kirby materialisiert sich neben seinem Ellbogen. «Hey. Ich hab versucht, dich anzurufen.»
«Ich war im Flugzeug.»
«Ja, im Hotel sagten sie, du wärst schon weg. Sorry. Ich wollte mit dir reden. Ich konnte nicht warten.»
«Geduld war noch nie deine Stärke.»
«Es ist ernst, Dan.»
Er seufzt schwer und beobachtet, wie ein Dutzend Taschen und Koffer auf dem Gepäckband vorbeiziehen. «Geht es um den Fall mit der Junkie-Künstlerin von vor ein paar Tagen? Das war zwar eine hässliche Sache, aber nicht dein Typ. Die Cops haben schon ihren Dealer dafür festgenagelt. Charmanter Bursche namens Huxtable oder so ähnlich.»
«Huxley Snyder. Noch nie wegen Gewalttaten aktenkundig geworden.»
Endlich taucht sein Koffer hinter dem Plastikvorhang auf und fällt auf die Schräge Richtung Gepäckband. Dan schnappt sich den Koffer und steuert Kirby in Richtung des El-Ausgangs.
«Irgendwann ist immer das erste Mal, oder?»
«Ich habe mit dem Vater dieser Künstlerin geredet. Er hat erzählt, jemand hätte bei ihnen angerufen, um nach Catherine zu fragen.»
«Klar. Bei mir rufen auch jeden Tag Leute an, die nach mir fragen. Meistens sind es
Weitere Kostenlose Bücher