Shining Girls (German Edition)
spritzt durch die Luft. Der Schwung lässt beide Männer in Richtung der Haustür taumeln. Sie ist nur zugeklinkt. Nicht abgeschlossen. Sie prallen zusammen und brechen durch die Bretter, mit denen der Eingang vernagelt ist, hinaus in eine andere Zeit. Hinter ihnen schwingt die Tür wieder zu.
«Dan!» Es sind nur ein paar Meter, aber es fühlt sich an wie eine Ewigkeit. Die es ebenso gut sein könnte. Als sie die Tür öffnet, hat sie den Sommerabend vor sich, aus dem sie hereinkam, und von den beiden ist nichts zu sehen.
Dan
3 . Dezember 1929
Sie halten sich aneinander fest wie ein Liebespaar, stolpern die Verandatreppe hinunter und in die Kälte und Dunkelheit eines frühen Morgens. Der Schnee ist ein Schock. Dan prallt so heftig auf den Boden, dass es ihm den Atem nimmt. Er kommt auf die Knie hoch, um den Verrückten wegzuschieben, und krabbelt auf allen vieren wie ein Hund auf die Straße, um so weit wie möglich von ihm wegzukommen.
Alles ist total verkommen. Er ist ganz woanders. Wo vorher eine Baulücke war, erhebt sich jetzt ein Lagerhaus aus Backsteinen. Er überlegt, ob er an die Tür hämmern soll, um um Hilfe zu rufen, aber die Tür ist mit einer dicken Kette und einem Vorhängeschloss gesichert. Die Fenster der Häuser sind vernagelt. Aber die Farbe wirkt neuer. Nichts davon ergibt irgendeinen Sinn; während er hier im Schnee herumkriecht und alles vollblutet, wo es vor einer halben Stunde noch Juni war. Dans Hemd ist feucht. Schneidende Kälte dringt an seine Haut. Blut läuft an seinem Arm herunter und tropft zwischen seinen Fingern auf den Boden, sodass im Schnee rosafarbene Fraktale aufblühen. Er kann nicht einmal mehr sagen, woher das Blut kommt, aus der Wunde zwischen seinen Rippen oder von dem Schnitt an der Hand. Es fühlt sich alles taub an. Der Mörder zieht sich am Geländer der Verandatreppe auf die Füße, das Messer hat er immer noch in der Hand. Dan wird schon beim bloßen Anblick dieses verfluchten Messers schlecht.
«Gib lieber gleich auf, mein Freund», sagt der Mann und hinkt über den Schnee auf ihn zu. Der Typ hat sein Messer, und Dan hat eine Scheißangst. Er kauert auf dem Boden, die Finger in den Schnee gegraben.
«Willst du es dir unnötig schwer machen?» Der Typ hat eine leicht überholte Aussprache. Beinahe altmodisch.
«Du bekommst keine Gelegenheit mehr, ihr wehzutun», sagt Dan. Inzwischen kann er erkennen, dass dem Bastard bei dem Sturz die Lippe aufgeplatzt ist. Seine Zähne sind rot verschmiert, als er Dan anlächelt.
«Es ist ein Kreis, der geschlossen werden muss.»
«Ich habe keine Ahnung, was zum Teufel du da faselst, Mann», sagt Dan und stemmt sich hoch. «Aber du machst mich wütend.» Er verlagert sein Gewicht auf den rechten Fuß, ignoriert die Schmerzen im Brustkorb und richtet sich auf. Den kompakten Schneeklumpen hat er zwischen Daumen und dem weit gespreizten Zeige- und Mittelfinger wie beim Four-Seam-Fastball, der schnellsten Wurftechnik des Baseballs. Er hebt das Knie, holt mit einer Drehung des Oberkörpers und der Ellbogen nach hinten Schwung, dann schwenkt er die Hüfte wieder herum, und während er mit dem vorderen Fuß auf den Boden kommt, lässt er den Schneeball über die Finger wegrollen, nicht abschnellen, sodass er durch den Rückwärtsdrall eine aufsteigende Flugbahn bekommt.
«Vete pa’la carajo, hijo’e puta!»
Der Ball schnellt sirrend über die Straße, dieser improvisierte Fastball, der perfekte Pitch, um Mad Dog Maddux persönlich Konkurrenz zu machen, und knallt dem Psychopathen mitten ins Gesicht.
Der Killer taumelt ein paar Schritte zurück, schüttelt den Kopf und wischt sich den Schnee ab. Die Zeit reicht aus. Dan rennt über die Straße, verringert den Abstand zwischen ihnen. Er wirft sich auf ihn. Er stemmt sich erneut hoch und rammt dem Mann seine Faust auf die Nase. Er zielt niedrig, hofft, dem Bastard das Nasenbein bis ins Gehirn zu treiben. Aber wenn es so einfach wäre, würde es ständig passieren. Der Typ dreht den Kiefer weg, als der Schlag auftrifft, und Dan fühlt unter seinen Knöcheln den Wangenknochen brechen.
Puñeta
, das tut weh.
Er schiebt sich zurück, duckt sich unter dem Messer weg, das durch die Luft zischt, und fällt wie ein Käfer auf den Rücken. Er rollt sich auf die Seite, tritt dabei aus und trifft etwas Festes. Nicht die Kniescheibe oder die Eier von dem Typen, was nützlich gewesen wäre. Vielleicht war es die Hüfte.
Der Irre grinst immer noch unter dem Blut, das ihm aus der Nase
Weitere Kostenlose Bücher