Shining Girls (German Edition)
geglaubt, er hätte ein persönliches, menschliches Interesse an dem Fall, genau wie sie. Aber es war nur die nächste abgefuckte Story über den abgefuckten Scheiß, den sich die Leute gegenseitig antaten, und er hatte keine weiteren Erklärungen für sie. Und er konnte ihr nicht erzählen, dass er ihr nur seine Nummer gegeben hatte, weil er sie sexy fand.
Und bis Kirby aus der Intensivstation entlassen wurde, hatte er den Fall satt und wollte keinen Folgeartikel schreiben. Er war dankbar für den Hund – danke, Mr. Matthew Harrison –, und es war ein guter Aufhänger, denn die Leute lieben Hunde, vor allem tapfere, die bei dem Versuch sterben, ihr Frauchen zu retten, sodass ein
Lassie-gerät-ins-Texas-Kettensägenmassaker
-Artikel dabei herauskommt, aber es gab eben keinerlei neue Informationen oder Hinweise darauf, dass die Polizei einen Scheißfinger krumm machte, um den perversen Kerl zu identifizieren – davon, ihn festzusetzen, ganz zu schweigen –, der ihr das angetan hatte und der immer noch da draußen auf seine Gelegenheit wartete, es noch jemand anderem anzutun. Also scheiß auf den Hund und scheiß auf die Scheißstory.
Was zur Folge hatte, dass Harrison Richie losschickte, um den Folgeartikel zu schreiben, aber inzwischen hatte die Mutter beschlossen, dass alle Journalisten Arschlöcher waren, und weigerte sich, mit irgendeinem von ihnen zu sprechen. Dan musste mit Artikeln über eine Serie von Schießereien in K-Town büßen, was so richtig lehrbuchmäßiger Gangster-Stumpfsinn war.
Und dieses Jahr ist die Mordrate sogar noch gestiegen. Weswegen er sich noch mehr freut, nicht mehr für diese verdammten Artikel über Tötungsdelikte zuständig zu sein. Sport ist wegen all der Reisen theoretisch anstrengender, aber das verschafft ihm eine Entschuldigung, um wegzufahren und nicht in seiner einsamen Wohnung festzusitzen. Trainern in den Arsch zu kriechen ist so ziemlich dasselbe, wie Cops in den Arsch zu kriechen, und Baseball ist noch dazu nicht so einschläfernd monoton wie Mord.
«Damit haben sie doch bloß versucht, den Schwarzen Peter loszuwerden», beschwert sich Kirby und holt ihn wieder in die Gegenwart. «Drogen. Er war nicht auf Drogen. Oder jedenfalls auf keinen, die ich kenne.»
«Bist wohl Expertin, was?»
«Hast du meine Mutter kennengelernt? Da hättest du auch Drogen genommen. Aber besonders gut war ich darin nie.»
«Was du da versuchst, funktioniert nicht. Mit Witzen davon abzulenken. Das verrät mir nur, dass es etwas gibt, von dem du dich ablenken musst.»
«Jahrelange Tätigkeit als Berichterstatter über Mordfälle hatte ihn zu einem scharfen Beobachter menschlicher Reaktionen und zu einem wahren Philosophen werden lassen», intoniert sie mit einer zwei Oktaven tieferen Filmtrailer-Offstimme.
«Du machst es immer noch», sagt Dan. Seine Wangen sind heiß. Sie geht ihm wahnsinnig auf die Nerven. Wie damals, als er frisch vom College kam und im Gesellschaftsteil mit der alten Schabracke Lois zusammenarbeitete, die so sauer darüber war, dass er ihrem Ressort zugeteilt wurde, dass sie nur über Dritte mit ihm kommunizierte. «Gemma, erklär
diesem Jungen
, dass wir nicht auf diese Art über Society-Hochzeiten schreiben.»
«Ich hatte eine ziemlich schwere Zeit als Teenager. Ich habe angefangen, zur Methodistenkirche zu gehen, was meine Mutter in den Wahnsinn getrieben hat, weil es wenigstens die Synagoge hätte sein sollen, klar? Ich kam triefend vor Mitleid und Vergebung nach Hause und spülte ihr Gras im Klo runter, und wir haben uns drei Stunden lang angebrüllt, dann ist sie rausgerannt und erst am nächsten Tag wiedergekommen. Danach lief es so schlecht, dass ich zu Pastor Todd und seiner Frau gezogen bin. Sie haben versucht, ein Wohnheim für gefährdete Jugendliche auf die Beine zu stellen.»
«Darf ich raten? Er hat versucht, dir an die Wäsche zu gehen.»
«Mensch!» Sie schüttelt den Kopf. «Nicht jeder Pastor fummelt an Kindern rum. Das waren total nette Leute. Nur eben nicht mein Fall. Viel zu ernsthaft. Es war in Ordnung, dass sie die Welt verändern wollten, aber ich hatte keine Lust, dabei ihr Lieblingsprojekt zu spielen. Und dieser ganze Daddy-Kram und so weiter, verstehst du?»
«Klar.»
«Darauf beruht doch die Religion in Wahrheit. Dass man versucht, die Erwartungen von Big Daddy da oben im Himmel zu erfüllen.»
«Und wer spielt jetzt die Hobbyphilosophin?»
«Theologin, bitte. Ich wollte nur sagen, dass es nicht funktioniert hat. Ich dachte,
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