Shining Girls (German Edition)

Titel: Shining Girls (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Beukes

Vom Netzwerk:

schon seit Jahren. Das am schlechtesten gehütete Geheimnis aller Zeiten.»
    Kirby versucht, Begeisterung für Büroklatsch zu heucheln, aber in Wahrheit ist ihr so etwas komplett egal. Sie könnte Chet nach seinem Liebesleben fragen, aber das würde nur Fragen nach ihrem eigenen zur Folge haben. Der letzte Typ war einer aus ihrem Kurs in Wissenschaftstheorie, scharfzüngig und klug und auf interessante Art gut aussehend. Aber im Bett stellte er sich als unerträglich zärtlich heraus. Er küsste ihre Narben, als könnte er sie mit seiner liebkosenden Zunge wegzaubern. «Hey, ich bin hier oben», hatte sie sagen müssen, nachdem sie lange genug ertragen hatte, wie er ihren Bauch küsste und sich sanft über jeden Quadratzentimeter Narbengewebe arbeitete. «Oder ein bisschen weiter unten. Dein Auftritt, Baby.» Überflüssig zu erwähnen, dass die Beziehung nicht gehalten hatte.
    «Es ist wirklich süß, wie die beiden Theater spielen», bringt sie jetzt heraus, was nur dazu führt, dass sie wieder in unbehagliches Schweigen verfallen.
    «Oh.» Chet wühlt in seiner Hosentasche. «Ist das deine?» Er gibt ihr einen Ausschnitt von den Kleinanzeigen am Samstag.
    Gesucht: Informationen über Frauenmorde in der Region Chicago zwischen 1970 und 1992 , bei denen ungewöhnliche Gegenstände bei der Leiche hinterlassen wurden. Sämtliche Antworten werden privat u. vertraulich behandelt.
    KM , Postfach 786 , Wicker Park, 60622
    Natürlich hatte sie die Anzeige in der
Sun-Times
geschaltet, aber auch in allen anderen Zeitungen und lokalen Gemeindeblättern, und außerdem hatte sie Flyer an die Pinnwände in Lebensmittelläden, Frauentreffs und Kifferläden von Evanston bis Skokie gehängt.
    «Ja. Das war Dans Idee.»
    «Cool», sagt er.
    «Was?» Kirby ist genervt.
    «Aber sei vorsichtig.»
    «Ja, klar. Jedenfalls, ich muss jetzt gehen.»
    «Ist gut. Ich auch», sagt Chet. Es ist ganz klar eine Erleichterung für alle beide. «Sollen wir uns von den anderen verabschieden?»
    «Ich glaube, die kommen auch alleine zurecht. In welche Richtung musst du?»
    «Ich nehme die rote Linie.»
    «Ich muss in die andere Richtung.» Das ist eine Lüge. Aber sie kann die Vorstellung nicht ertragen, wie sie sich auf dem Weg zur Station bemühen würden, das Gespräch aufrechtzuerhalten. Sie sollte inzwischen klüger sein und die Versuche aufgeben, mit anderen Kontakte zu knüpfen.

Harper
    4 . Januar 1932
    «Haben Sie gehört, was dem Glow Girl passiert ist?», fragt die Krankenschwester mit der Schweinchennase. Sie hat ihm dieses Mal auch ihren Vornamen genannt, als wäre es ein Geschenk mit einer Schleife darum. Etta Kappel. Es ist verblüffend, was für einen Unterschied es macht, wenn man Geld in der Tasche hat. Man wird zum Beispiel eilig an Stationen vorbeigeschleust, auf denen sich die Patienten dichter drängen als das Vieh auf dem Schlachthof, und in ein privates Behandlungszimmer mit Linoleumboden und einem Schrank mit Spiegel und einem Blick über den Vorplatz geführt. Und das wissen die Reichen: Geld spricht, also müssen sie es selbst nicht tun. Fünf Dollar die Nacht, und man wird im Krankenpalast behandelt wie ein Kaiser.
    «Mmmmmmnghff», sagt Harper und deutet ungeduldig auf das Morphium in der Glasampulle auf dem Tablett neben seinem Bett, dessen Kopfteil im Fünfundvierzig-Grad-Winkel hochgekippt wurde, sodass er sich aufsetzen kann.
    «Nachts ermordet worden», flüstert sie theatralisch und erregt und schiebt ihm den Gummischlauch in die Kehle, zwischen die Drähte, die seine Zähne zusammenhalten und direkt in seinen Kiefer geschraubt sind, sodass er sich nicht rasieren kann.
    «Nggghkk.»
    «Oh, nun jammern Sie nicht. Sie haben Glück, dass er nur ausgerenkt ist. Trotzdem. Nicht, dass diese Tänzerin es nicht verdient hätte. Das kleine Flittchen.» Sie klopft mit dem Fingernagel an die Phiole, um eventuelle Luftbläschen aufzulösen, dann sägt sie den Ampullenhals mit einem Skalpell an, bricht ihn ab und zieht die Flüssigkeit mit einer Spritze auf.
    «Haben Sie diese Show je gesehen, Mister?», fragt sie nebenbei.
    Harper schüttelt den Kopf. Die Veränderung in ihrem Ton interessiert ihn. Er kennt diesen Typ Frau. Sitzen immer hoch auf dem moralischen Ross, damit sie eine bessere Übersicht haben. Er lässt sich im Bett zurücksinken, als die Wirkung des Medikaments einsetzt.
    Es hat ihn zwei Tage Quälerei gekostet, hierher zurückzukommen. Er hat sich in Scheunen versteckt, Eiszapfen gelutscht, die vom Dreck der