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Shining

Shining

Titel: Shining Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Säuglingsnahrung bemängelte und es jedes Mal sofort merkte, wenn das Kind sich wundgescheuert hatte. Ihre Mutter sagte nie direkt etwas, aber es entging Wendy dennoch nicht: der Preis, den sie für die Versöhnung zahlte (und vielleicht immer zahlen würde), war das Gefühl, eine schlechte Mutter zu sein. Auf diese Weise hielt ihre Mutter immer noch die Daumenschrauben bereit.
    Tagsüber blieb Wendy zu Hause und betätigte sich als Hausfrau. In der sonnendurchfluteten Küche ihrer Vierzimmerwohnung im zweiten Stock gab sie Danny die Flasche und spielte dazu ihre Platten auf dem alten Stereogerät, das sie noch aus Oberschulzeiten hatte. Jack kam gewöhnlich um drei nach Hause (oder um zwei, wenn er die letzte Stunde einmal ausfallen lassen konnte), und während Danny schlief, führte er sie ins Schlafzimmer, und alle Angst wegen ihrer eigenen Unzulänglichkeit war dann wie weggeblasen.
    Abends, während sie tippte, schrieb er oder beschäftigte sich mit seinen Vorbereitungen. Manchmal, wenn sie damals aus dem Schlafzimmer kam, in dem die Schreibmaschine stand, fand sie beide auf der Couch schlafend vor, Jack nur in Unterhosen, Danny auf ihres Mannes Brust, den Daumen im Mund. Sie trug Danny dann in sein Kinderbett und las, was Jack am Abend geschrieben hatte, bevor sie ihn genügend wachrüttelte, dass er ins Bett gehen konnte. Das beste Bett und das beste Jahr.
    Sun gonna shine in my backyard someday …
    Damals hatte Jack das Trinken noch gut im Griff. An Samstagabenden pflegten einige Studienkollegen hereinzuschauen, und es gab eine Kiste Bier und Diskussionen, an denen sie selten teilnahm, denn ihr Gebiet war Soziologie gewesen, seines war Englisch: Streit, ob es sich bei Pepys’ Tagebüchern um Literatur oder Geschichte handelte; Diskussionen über Charles Olsons dichterisches Werk; manchmal las jemand aus einem noch nicht veröffentlichten Werk vor. Das und hundert andere Dinge. Nein, tausend. Sie sah sich eigentlich nicht veranlasst mitzureden; es genügte ihr, in ihrem Schaukelstuhl zu sitzen, wobei Jack meist neben ihr auf dem Fußboden saß, in der einen Hand ein Bier, die andere zärtlich an ihrer Wade.
    An der Universität herrschte harte Konkurrenz, und Jacks Schriftstellerei war eine zusätzliche Belastung. Er schrieb jeden Abend mindestens eine Stunde lang. Das hatte er zur Routine gemacht. Die Samstagssitzungen waren für ihn eine notwendige Therapie. Hier konnte er ein wenig Dampf ablassen, damit er nicht eines Tages explodierte.
    Nach Abschluss seines Studiums hatte er, hauptsächlich aufgrund seiner Kurzgeschichten – von denen zu der Zeit vier veröffentlicht waren, eine im Esquire – den Job in Stovington bekommen. Sie erinnerte sich an den Tag noch ganz genau; ihn zu vergessen, brauchte man mehr als drei Jahre. Sie hätte den Umschlag fast weggeworfen, weil sie glaubte, er enthielte Werbung. Statt dessen fand sie darin einen Brief, in dem der Esquire mitteilte, dass man Jacks Geschichte »Über die schwarzen Löcher« Anfang nächsten Jahres gern drucken wolle. Als Honorar boten sie neunhundert Dollar, und zwar nicht bei Veröffentlichung, sondern sofort nach Einverständnis. Das war das Geld, das sie selbst für ein halbes Jahr an der Schreibmaschine bekam, und sie war ans Telefon gerast und hatte Danny in seinem Kinderstuhl sitzen lassen, von wo aus er ihr komisch hinterher glotzte, das Gesicht mit Essen beschmiert.
    Jack war fünfundvierzig Minuten später von der Universität nach Hause gekommen, der Buick mit sieben Kollegen und einem kleinen Fass Bier beladen. Nachdem man angestoßen hatte (Wendy hatte auch ein Glas, obwohl sie an Bier wenig Geschmack fand), hatte Jack schriftlich sein Einverständnis erklärt, den Bogen in den Rückumschlag getan und war einen Block weiter zum Briefkasten gegangen. Als er zurückkam, stellte er sich feierlich in die Tür und sagte: »Veni, vidi, vici.« Und seine Freunde applaudierten. Als das Fass um elf Uhr abends leer war, wollten Jack und die zwei, die gerade noch stehen konnten, die eine oder andere Bar aufsuchen.
    Sie hatte ihn unten im Flur beiseitegenommen. Die andern beiden saßen schon draußen im Wagen und sangen laut und besoffen. Jack kniete und fummelte an seinem Schuh.
    »Jack«, sagte sie, »das solltest du nicht tun. Du kannst dir nicht einmal die Schuhe zubinden, geschweige denn fahren.«
    Er stand auf und legte ihr ganz ruhig die Hände auf die Schultern.
    »Heute könnte ich zum Mond fliegen, wenn ich wollte.«
    »Nein«, sagte

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