Shiver - Meine Rache Wird Euch Treffen
aufgehalten und Zeit vergeudet.« Er sah die kleine Frau fest an. »Ich weiß nicht, inwiefern oder warum, aber ich glaube, die Doppelmorde der jüngsten Zeit hängen irgendwie mit dem Krankenhaus zusammen. Die Aufschlüsse, die ich aus diesen Akten gewinne, können mir vielleicht helfen, meine Tante zu finden.« Ihn plagte sein Gewissen, wenn er daran dachte, dass Schwester Maria, kurz nachdem er sie um Informationen gebeten hatte, verschwunden war. »Ich habeSchwester Maria um Auskünfte gebeten und sie hat mir einen Vortrag über die Schweigepflicht gehalten. Jetzt ist sie wie vom Erdboden verschluckt. Besteht da ein Zusammenhang? Ich weiß es nicht. Und ich muss es herausbekommen.«
»Wonach suchen Sie denn speziell?«, fragte sie.
Er staunte darüber, wie gut sie ihn durchschaute. »Ich möchte genau wissen, was Faith Chastain zugestoßen ist.«
Feine Fältchen gruben sich zwischen ihren Brauen ein. »Ich weiß nicht …«
»Und ich muss Schwester Maria finden.«
Sie wandte kurz den Blick ab, rang mit einer Entscheidung.
»Ich werde schauen, was ich tun kann. Es mag zwar so aussehen, aber ich bin kein verstaubtes altes Relikt, das sich an die alten ›Regeln‹ hält, Detective. Ich kenne die Welt, in der wir leben, mit all ihren Übeln. Aber ich muss mich hier, genau wie Sie, an gewisse Vorschriften halten.«
»Danke. Ich bin bald zurück.«
Er lief zu seinem Wagen und raste wie ein Wahnsinniger zurück in die Stadt. Unterwegs rief er seine Mutter an und bat sie, bei sämtlichen Angehörigen anzufragen, ob jemand Maria gesehen hatte. Dann wählte er die Nummer seines Bruders Miguel bei All-Security und erklärte ihm, dass er sofort jemanden brauche, der eine Alarmanlage bei Abby Chastain in Cambrai installierte.
»Hey, Reuben, wir sind über einen Monat ausgebucht«, beschwerte sich Miguel. »Wir richten eine neue Abteilung ein, und die Leute rufen an wie verrückt, seit dieser wahnsinnige Mörder hier herumläuft. Wenn dein Geschäft gut läuft, dann läuft meins auch.«
Montoya nahm eine Kurve viel zu schnell und zwang sich, vom Gas zu gehen. »Es ist aber wichtig.«
»Es ist immer wichtig.«
»Du hättest etwas bei mir gut.«
»Ich habe schon auf Lebenszeit etwas bei dir gut. Wer ist die Frau überhaupt?«
»Eine Freundin, die womöglich in Gefahr schwebt.«
Miguel lachte leise, und Montoya hörte, dass er sich eine Zigarette anzündete. »Eine neue Freundin?«
»Ja.«
»Höchste Zeit für eine neue Freundin«, sagte Miguel. »Okay, ich mache mich gleich Anfang nächster Woche an die Arbeit. Gib mir die Adresse. Moment … ich hole mir eben einen Stift.«
Als er wieder am Apparat war, gab Montoya Miguel alle nötigen Informationen und erwähnte dann, dass Maria verschwunden war.
»Aus dem Kloster?«, fragte Miguel.
»Sieht so aus.«
»Mein Gott, heutzutage ist man wohl nirgendwo mehr sicher.« Er hielt inne. »Aber du findest sie, nicht wahr? Und ihr wird schon nichts fehlen.«
»Das hoffe ich. Halt die Ohren offen. Frag sämtliche Cousins und Cousinen, jeden, der sie kennt. Mit Mom habe ich schon gesprochen. Man sieht sich.« Er beendete das Gespräch und bremste vor einer Ampel im Französischen Viertel ab. Die Sonne schickte ihre Strahlen durch einen feinen Nebel herab auf Straßen und Gassen.
Es war Samstag und bereits so warm, dass Montoya das Fenster herunterkurbelte. Menschenmassen wälzten sich über die Bürgersteige, verstopften die Zebrastreifen oder überquerten verkehrswidrig die Straße. Er tippte unruhig mit den Händen aufs Steuer. Nichts und niemand schien in Eile zu sein. Der Mississippi floss träge vorbei, und der Geruchdes Wassers überlagerte die Düfte von Backwaren und Kaffee aus den Läden und den Gestank von Benzin und Abgasen in der Stadt.
Während er noch vor der Ampel wartete, fielen ihm zwei junge Männer auf, die stolz die Straße überquerten. Auch er war einmal einer von diesen Halbstarken gewesen, überlegte er und sah, wie tief auf dem Gesäß ihre Shorts hingen und wie großtuerisch sie sich aufführten. Wären seine strenge Mutter, die darauf bestand, dass er etwas aus sich machte, und der Sport nicht gewesen, hätte er es vielleicht nie aufs College geschafft, wäre nie Detective geworden. Drei Mädchen in engen T-Shirts und knappen Shorts gingen vorbei. Wie am Bändchen gezogen fuhren die Köpfe der jungen Männer gleichzeitig herum. Einer von ihnen sagte etwas, aber die Mädchen, von denen eine in ihr Handy sprach, ignorierten ihn.
Das Spiel
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