Shiver - Meine Rache Wird Euch Treffen
gab sie zu und deutete auf einen braunen Umschlag mitten auf ihrem geräumigen Schreibtisch. »Da sind die Akten, die Sie angefordert haben. Schwester Madeline, Gott segne sie, wusste, dass sie auf demDachboden aufbewahrt werden, und hat sie von Mr. DuLoc herunterbringen lassen.« Sie wies auf die Kisten in einer Ecke des Zimmers. »Ich behalte sie hier, für den Fall, dass Sie sonst noch etwas benötigen, aber ich schätze, dass der Umschlag alles enthält, was Sie brauchen.« Sie tippte auf den Umschlag und schob ihn Montoya entgegen. »Früher einmal hat man sich an die Schweigepflicht gehalten, da war der Glaube nicht nur wichtig, sondern wurde freudig gelebt, da herrschte mehr … Ordnung. Aber jetzt …« Sie lächelte kaum merklich. »Ich habe lange und gründlich nachgedacht und um Gottes Segen und Führung gebetet, darum, dass er mir hilft, den richtigen Weg zu nehmen und ihn zu begreifen«, sagte sie. »Doch am Ende hat er mich vor eine schwierige Wahl gestellt.«
Sie stemmte sich hoch, und als sie zum Fenster schritt, schien sie leicht zu taumeln. Sie blickte nach draußen, wo ein Kolibri um die Blumenampeln flatterte und in den welken Blüten Nahrung suchte.
»Ich hätte Sie vermutlich früher unterrichten sollen. Ihre Tante hatte mir anvertraut, dass sie einen unehelichen Sohn geboren hat. Sie ist zu uns gekommen, nachdem ihr Sohn adoptiert worden war.«
Montoya beobachtete, wie die alte Nonne ihren Rosenkranz befingerte. »Ich weiß.«
Sie nickte und blickte weiterhin aus dem Fenster. »Der Junge wurde zum Sportler, zum Studenten und schließlich zu einem Gottesmann.«
»Billy Zachary Furlough?«, fragte Montoya verblüfft.
»Das hat sie mir anvertraut.«
Furlough war im entsprechenden Alter, und wenn er es sich recht überlegte, bestand sogar eine gewisse Familienähnlichkeit zwischen dem großspurigen Prediger und denMontoyas – das dunkle Haar, der braune Teint, der athletische Körperbau …
»Als ich erfuhr, dass nicht nur Schwester Maria, sondern auch Mr. Furlough verschwunden ist, höchstwahrscheinlich am selben Tag entführt, beschloss ich, Sie anzurufen.« Sie wandte sich um und sah Montoya an. »Sie sind ihr Liebling, wissen Sie. Von all ihren Nichten und Neffen.«
Montoya fragte sich, ob der Mörder wusste, dass er Mutter und Sohn getötet hatte. Natürlich wusste er es. Diese Morde geschahen nicht nach dem Zufallsprinzip. Sie waren sorgfältig geplant.
»Was können Sie mir über Lawrence DuLoc berichten?«, fragte er, entschlossen, diese Frage als erste abzuhandeln.
»Mr. DuLoc ist hier unentbehrlich, er hilft uns über alle Maßen.« Sie holte tief Luft. »Er war Patient im psychiatrischen Krankenhaus. Als Jugendlicher neigte er zu Jähzorn. Ach, eigentlich dürfte ich Ihnen das alles gar nicht mitteilen.«
Hilflos hob sie die Handflächen himmelwärts und fuhr hastig fort, beinahe so, als wäre sie froh, die Schleusen der Geheimhaltung öffnen zu können. »Vor langer Zeit wurden ihm einige Verbrechen angelastet, aber er ist jetzt schon lange unauffällig. Seine Personalakte ist makellos.« Sie blickte Montoya eindringlich an. »Ich verbürge mich persönlich für ihn.«
»Die Polizei muss sämtliche Hinweise verfolgen.«
»Ich glaube, Ihre Kollegen haben ihn bereits vernommen.«
Die Mutter Oberin trat seitlich an ihren Schreibtisch und berührte Montoyas Hand. »Larry ist kein Mörder.«
Montoya war geneigt, ihr beizupflichten, doch er unterließ es. »Er ist ein kräftiger Mann, nicht wahr? Einsneunzig, einszweiundneunzig?«
»Ja, er ist groß und kräftig«, gab sie zu, straffte sich und verschränktedie Arme über der Brust. »Sie können mit ihm reden. Larry DuLoc ist ein sehr frommer Mensch, Detective. Sein Glaube ist stark.« Sie wies auf das Fenster. »Im Moment hält er sich im Garten auf.«
»Danke.« Montoya zögerte und musterte die Nonne. Einen Moment später fragte er: »Und können Sie mir noch etwas über Faith Chastain erzählen?«
Sie faltete die Hände. »Sie ist an ihrem Geburtstag aus dem Fenster ihres Zimmers gestürzt«, sagte sie und es klang, als rasselte sie zum wiederholten Mal eine alte Geschichte herunter. »Das Krankenhaus wurde verklagt, weil die Fenster nicht angemessen gesichert waren. Die Gitter waren defekt.«
»Sie ist durch die Scheibe gestürzt.«
Die Mutter Oberin nickte. »Wäre das Fenster durch Gitterstäbe aus Metall gesichert gewesen oder hätte sich das Ziergitter am unteren Teil des Fensters in ordnungsgemäßem Zustand
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