Shiver - Meine Rache Wird Euch Treffen
plötzlich Hörner gewachsen, und hätte beinahe gelacht. »Er verdiente sein Geld damit, sich Feinde zu schaffen! Das wissen Sie doch. Ich bin sicher, dass der Geschäftsführer des Senders oder der Produzent seiner Sendung Ihnen eine ellenlange Liste von Leuten vorweisen können, die sich über ihn beschwert haben.«
»Und persönliche Feinde?«
Sie zuckte mit den Schultern und versuchte, sich zu konzentrieren, doch die Tatsache, dass Luke tot war, dass jemand ihn umgebracht hatte, ließ sie keinen klaren Gedanken fassen. »Vermutlich. Aber … mir fällt im Moment einfach keiner ein.«
Montoya hatte etwas an sich, das sie nervös machte. Als wisse er, wie es auf beiden Seiten des Gesetzes aussah. Als sei er in der Lage zu durchschauen, wie sie im Grunde ihres Wesens war. Als Frau. Als Verdächtige. Abby machte sich nichts vor. Exfrauen boten sich als Verdächtige geradezu an. Sie ermahnte sich, auf der Hut zu sein, zwar die Wahrheit zu sagen, aber dabei sehr besonnen vorzugehen.
Es kam ihr vor, als würde er, wenn er sie so eindringlich ansah, nach Hinweisen darauf suchen, dass sie ihn täuschte. Und gleichzeitig hatte sie den Eindruck, er wartete in den Gesprächspausen darauf, dass sie das Schweigen brach und etwas sagte, das sie später bereuen würde.
Oder bildete sie sich das alles nur ein? Hatte der Schock über Lukes Tod sie um den Verstand gebracht?
»Ich bin der Meinung, wir sollten jemanden anrufen, der Ihnen Gesellschaft leisten kann. Eine Freundin? Ein Verwandter? Vielleicht auch eine Nachbarin.«
Sie dachte an Vanessa Pomeroy nebenan, an ihre Schwester in Seattle, an Alicia an der Westküste, ihren Vater oder Tanisha, die Studentin, die in Teilzeit in Abbys Studio in der Stadt arbeitete. »Nein. Ich komme zurecht, wirklich. Es ist ja nicht so, als sei ich noch immer in ihn verliebt.«
Montoya zog eine Braue hoch, und sofort bereute sie ihre Worte. Sie spürte den Drang, ihre Äußerung zu erklären.
»Hören Sie, Detective, der Umstand, dass er mich wegen einer anderen Frau, einer viel jüngeren noch dazu, verlassen hat, bedeutet nicht zwangsläufig, dass ich mich noch nach ihm verzehre oder völlig zusammenbreche, wenn Sie gleich gehen. Was ich für Luke empfunden habe, ist schon vor langer Zeit gestorben. Traurig, aber wahr.«
Sie senkte den Blick auf ihre Finger und nagte an ihrer Unterlippe. In dem Schweigen, das jetzt einsetzte, waren die Geräusche des Hauses – das Knarren von Holz, das Scharren eines Eichhörnchens auf dem Dach, das stetige Gurgeln von Wasser in den Regenrinnen – umso deutlicher wahrnehmbar.
»Unsere Ehe war schon gescheitert, als wir von Seattle hierher gezogen sind. Wir wollten uns eine zweite Chance geben, aber es ging schief.« Sie nickte vor sich hin, und das Eingeständnis ihrer wahren Gefühle tat ihr gut. »Trotzdem kann ich einfach nicht glauben, dass er tot ist.« Jetzt war es an ihr, Montoya eindringlich anzusehen. »Sie sind doch sicher, dass er tot ist, oder? Als ich hörte, dass er vermisst wird, glaubte ich wirklich an einen Publicity-Gag.«
»Falls es einer war, ist er gründlich daneben gegangen. Luke Gierman ist tot, glauben Sie mir.«
Eine tiefe Traurigkeit stieg in ihr auf. So groß die Meinungsverschiedenheiten zwischen Luke und ihr auch gewesen sein mochten, sie fand es grausam, dass er umgebracht, dass sein Leben ausgelöscht worden war, bevor er die vierzig erreicht hatte.
Montoya erhob sich und griff in seiner Gesäßtasche nach seiner Brieftasche. Sie verfolgte die Geste, bemerkte, wie sich sein Hintern in der Jeans abzeichnete, und wandte hastig den Blick ab. Himmel, was war denn in sie gefahren? Ja, die Hüften des Kerls befanden sich genau in ihrer Blickrichtung, na und? Hatte Lukes gewaltsamer Tod etwa ihren sexuellen Appetit geweckt? Das war ja widerlich! Was dachte sie sich nur dabei, den Hintern des Detective zu begutachten?
Im Grunde lag da das Problem: Sie dachte gar nicht. Trotz all ihrer Versicherungen, dass sie die Nachricht vom Tod ihres Exmannes schon verkraften würde, stand sie eindeutig unter Schock.
Gut, dann war ihr eben aufgefallen, dass der Detective sexy war. Was bedeutete das schon? Sie wusste schließlich auch, dass sie ihm nicht über den Weg trauen durfte.
Er kritzelte etwas auf die Rückseite einer Visitenkarte, und falls er bemerkt hatte, wie sie ihn musterte, war er diskret genug, es nicht zu zeigen.
»Meine Handynummer«, erklärte er. »Falls Ihnen noch etwas einfällt, rufen Sie mich bitte
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