Shiver - Meine Rache Wird Euch Treffen
wirklich arg zugesetzt.
Dort, wo es zählte.
Er blieb dabei: Wenn sie nicht gelogen hatte, verschwieg sie zumindest etwas. Ihre goldenen Augen bargen ein Geheimnis. Sie hatte zwar nicht zurückhaltend, sondern eher offen gewirkt, aber irgendetwas stimmte nicht mit ihr. Vielleicht war er aber auch nicht ganz bei der Sache gewesen, vor lauter Verwunderung über ihre Wirkung auf ihn. Er hatte ihr lediglich die schlechte Nachricht überbringen, ihre Reaktion beobachten und jemanden auftreiben wollen, der sich ihrer annahm, der ihr half, den Schock zu überwinden.
Aber es war ganz anders gekommen.
Die Frau war ihm unter die Haut gegangen.
Und er, verblendet, wie er war, hatte es zugelassen.
Zierlich, gute Figur, Rundungen genau dort, wo sie hingehörten.
Er schaltete das Radio ein und verbot sich, noch länger an Abby Chastains Körper zu denken. Herrgott, hatte er inden vergangenen fünf Jahren denn nichts gelernt? Er biss erneut die Zähne zusammen und bremste vor einer Kurve ab. Man warf ihm schon lange vor, er sei ein Draufgänger, und es stimmte, dass er Frauen mochte und auch die Abwechslung. Das einzige Mal, als er sesshaft hatte werden wollen, war alles den Bach runtergegangen.
Sein Magen krampfte sich zusammen, als er erneut an Marta dachte … Sie war so schön gewesen, und mit ihrer spitzen Zunge und den blitzenden Augen hatte sie ihn in ihren Bann gezogen.
Er hatte geglaubt, sie sei die einzig Richtige, wenn es so etwas überhaupt gab. Während jener kurzen Phase seines Lebens war er überzeugt gewesen, Marta Vasquez zur Frau haben zu wollen.
»Scheißkerl!«, knurrte er, als sich ein Typ in einem roten Mazda RX7 knapp vor ihn setzte. Montoya trat in die Eisen. Als der Fahrer in den Rückspiegel blickte und sich offenbar bewusst wurde, dass er beinahe mit einem Polizeiauto kollidiert wäre, schaltete er herunter, drosselte das Tempo bis zur erlaubten Höchstgeschwindigkeit und mutierte spontan zum braven Staatsbürger, zum Inbegriff des besonnenen Fahrers. »Ja, gut so«, brummte Montoya. Wenn er nur ein bisschen Elan in den Knochen hätte, würde er den Kerl jetzt an den Straßenrand winken und ihn zur Rede stellen, ihm vielleicht sogar einen Heidenschreck einjagen, indem er ihn gegen das Fahrzeug drückte und ihm mit Handschellen drohte, bevor er ihm einen Strafzettel und eine Geldbuße verpasste, dass ihm Hören und Sehen verging.
Montoya grinste bei der Vorstellung, warf einen Blick auf die Uhr und stellte fest, dass die Zeit drängte.
Mit einem Seufzer zwang er sich zur Konzentration auf die Aufgabe, die vor ihm lag: Er musste Mr. und Mrs. ClydeLaBelle informieren, dass ihre Tochter nie wieder nach Hause kommen würde.
»Ich weiß nicht recht …«, sagte Sean Erwin, der sich in aller Ruhe Abbys Haus ansah. Sein Blick huschte hinter der flotten schwarz gerahmten Brille von einer Seite des Wohnzimmers zur anderen, während er Abby in Richtung Esszimmer folgte. Es war bereits der dritte Durchgang, und Sean, ein großer, schlanker Mann mit Igelfrisur, aristokratischer Nase und schmalen schwarzen Brauen über ausdrucksvollen Augen, war nicht zufrieden. Trotzdem verabschiedete er sich nicht. »Ich glaube, es ist einfach nicht groß genug.« Er tippte mit einem langen Finger auf seinen Mund, runzelte die Stirn und sog die Wangen ein, als hätte er in eine Zitrone gebissen. »Ich besitze zahlreiche Möbelstücke in Übergröße. Einen Schrank von meiner Großmutter, eine Couch, ein Klavier … und mein Bett ist Kingsize.« Rasch schritt er den kurzen Flur entlang zum Bad, das die beiden Schlafzimmer trennte. Er steckte den Kopf noch einmal in Abbys Zimmer. »Nein … Ihr Schlafzimmer sieht nicht so aus, als würden mein Bett, die beiden Nachttische
und
meine Kommode hineinpassen.« Mit einem theatralischen Seufzer zog er ein Maßband aus der Tasche. »Am besten nehme ich mal Maß.«
»Bitte schön. Ich bin in der Küche, falls Sie mich brauchen.« Es kostete Abby große Mühe, nicht die Beherrschung zu verlieren. Während sich dieser Kunsthändler aus der Stadt in ihrem Haus bewegte, als gehöre es ihm bereits, und doch nicht zufrieden war mit dem, was er sah, musste sie immer wieder an den Mord an Luke denken. Sean Erwins Möbel-Arrangements erschienen ihr im Vergleich eher unwichtig. Das Pärchen, das vor einer Stunde gekommen war, hatte dasHaus zum zweiten Mal besichtigt, schien aber auch nicht ernsthaft interessiert.
Die beiden waren wieder gegangen, ohne noch irgendwelche Fragen zu
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