Shiver - Meine Rache Wird Euch Treffen
ausgegangen. Die Tür zum Zimmer 304 war mit Flatterband abgesperrt.
»Ich hoffe, Sie klären diesen Fall schnell auf«, bemerkte Dr. Usher in einem Ton, als glaubte sie, die Polizeibehörde würde sich absichtlich Zeit lassen.
»Das haben wir vor«, beteuerte Brinkman mit einem belustigten Blick in Montoyas Richtung.
»Nun gut. Auf Ihre Bitte hin habe ich Courtneys Stundenplan, eine Liste der Teilnehmer ihrer Seminare sowie sämtlicher Studentinnen in diesem Wohnheim, nach Zimmernummern geordnet, für Sie bereitgelegt. Und Sie sollten auch wissen, dass erst vor drei Wochen Mr. Gierman hier war. Als Gastdozent in Dr. Starrs kommunikationswissenschaftlichem Seminar. Courtney hat an diesem Seminar teilgenommen.«
Montoya blieb abrupt stehen und horchte auf. Endlich eine Verbindung zwischen den beiden Opfern!
»Luke Gierman war hier?«, vergewisserte er sich.
»Ganz recht.« Dr. Usher ging ihren Schlüsselbund durch.
»Hat sich Courtney mit ihm unterhalten?«
»Das glaube ich nicht, aber ich weiß es nicht genau. Ich habe mit Dr. Starr gesprochen. Die Verwaltung war nicht glücklich über die Wahl seiner Gastdozenten.« Sie schob einen Schlüssel in das Schloss des Zimmers. »Wenn wir auch ausdrücklich Vielfalt und Gesinnungsfreiheit und alles Mögliche predigen, sind wir doch ein ziemlich konservatives Institut.«
»Wir würden Dr. Starr auch gern sprechen.«
»Ich weiß. Er stößt später zu uns, wenn wir fertig sind«, sagte sie, jene Effizienz unter Beweis stellend, mit der sie wahrscheinlich jede Aufgabe anging. »Ich habe seine Handynummer und alles Nötige der in meinem Büro befindlichen Akte beigelegt. Wenn Sie Ihre Arbeit hier beendet haben, können Sie sich die Akte abholen.«
Montoya warf Brinkman einen Blick zu. Vielleicht hatten sie hier einen Glückstreffer gelandet. Usher entriegelte die Tür und stieß sie wortlos auf.
Montoya trat ins Zimmer, knipste das Licht an und hatte im ersten Moment das Gefühl, in eine andere Welt geraten zu sein. »Was zum Teufel ist das denn?«, fragte er und betrachtete die Wände. Eine Seite des Zimmers war schlicht weiß gestrichen und vollgehängt mit Kruzifixen, Mutter-Gottes-Bildern und Abbildungen von Jesus am Kreuz. Die andere Seite war pechschwarz gestrichen und völlig kahl. Keine Wandbehänge, keine Bilder, nichts, was irgendetwas über die Bewohnerin ausgesagt hätte. Der Schreibtisch vor der weißen Wand war vollgestellt mit gerahmten Bildern vonCourtney LaBelle mit einer aufgeschlagenen Bibel. Ein Rosenkranz hing vom Türknauf eines Wandschranks. Die andere Zimmerseite war so gut wie leer, bis auf einen kleinen Drucker, der auf dem Schreibtisch stand, und mehrere Bücher in einem Regal, Romane von Anne Rice und anderen über Vampire, Werwölfe und das Paranormale.
»Das begreife ich nicht«, sagte Brinkman, und ausnahmsweise konnte Montoya ihm nur beipflichten.
»Dieses Zimmer gehörte Courtney LaBelle« – Dr. Usher wies auf die helle Seite des Zimmers – »und Ophelia Ketterling.« Die Dekanin wies mit einer Handbewegung auf die dunkle Seite. »Wir ermutigen unsere Studentinnen, ihre Individualität zu pflegen, und manche, nun ja, manche übertreiben maßlos.«
Um ihren Worten Nachdruck zu verleihen, ließ Dr. Usher die Jalousie herab, so dass kein Licht mehr ins Zimmer drang, und knipste die einzige Lampe an, die auf dem Schreibtisch auf der dunklen Zimmerseite stand. Dann schaltete sie das Deckenlicht aus.
»Scheiße«, entfuhr es Brinkman, als sich die dunkle Zimmerseite blitzartig verwandelte. Auf der vormals schwarzen Wand wimmelte es plötzlich von Mustern, die offenbar nur auftauchten, wenn die ultraviolette Glühbirne ihr gespenstisches Licht abgab. Merkwürdige Bilder von Wasser speienden Monstern, Vampiren und Kreaturen mit langen Zähnen, Schwänzen und Zungen erschienen, als wären sie aus den Tiefen der Hölle emporgestiegen. »Schau sich das einer an!«, staunte Brinkman.
»Ophelia ist Kunststudentin. Eine begabte dazu, wenngleich manche ihre Themenwahl mit Skepsis betrachten.« Usher schaltete das Deckenlicht wieder ein, und die grotesken Bilder verschwanden.
»Wie hat sich Courtney mit ihrer Zimmergenossin verstanden?«
»Überhaupt nicht.«
Kein Wunder, dachte Montoya.
»Hat sie sich über diese, hm, ausgefallene Dekoration beschwert?«, wollte Brinkman wissen.
»Bei mir nicht, und auch nicht bei der Verwaltung«, antwortete die Dekanin und nagte an ihrer Unterlippe. »Im Grunde hat das Studienjahr ja auch gerade erst
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