Shiver - Meine Rache Wird Euch Treffen
war ein Draufgänger. Das wussten wir bereits. Wie steht es mit dem Alibi der Freundin?«
»Absolut wasserdicht.« Brinkman fand das Feuerzeug endlich und zündete seine Zigarette an. »Sie war bei Freunden in Toronto, mit einem Pärchen samt einem zehn Monate alten Baby.« Er blies eine Rauchwolke in Richtung Beifahrerfenster. »Als Gierman ermordet wurde, saß Nia mit ihren Freunden zusammen, hat bei ihnen zuhause bis drei Uhr morgens Wein getrunken und Karten gespielt. Von dem Lärm sind die Nachbarn wach geworden und haben die Polizei gerufen. Die hat sich die Namen notiert.«
»Vielleicht hat sie jemanden bestochen.«
»Hört sich nicht so an.« Brinkman schüttelte den Kopf und rümpfte die Nase. »Sie war sauer auf Luke. Anscheinend hatte er was mit irgendeiner Serviererin in einem Hotelrestaurant an der Bourbon Street, und Nia hat Wind davon gekriegt. Hat ihm eine Szene gemacht und die Affäre beendet. Sie haben nicht zusammengewohnt, also konnte sie einfach so Schluss machen. Sie wirkte geradezu erleichtert.«
»Und diese Serviererin?«
Brinkman sog ausgiebig an seiner Zigarette. »So weit bin ich noch nicht gekommen. Hey, ist das nicht die Ausfahrt?«
Er trat auf die Bremse, setzte den Blinker und fuhr kurz darauf durch die regennassen Straßen von Baton Rouge. Es war zwar noch nicht dunkle Nacht, doch aufgrund der zunehmenden Dämmerung hatten sich die Straßenlaternen bereits eingeschaltet und ließen den nassen Asphalt schimmern. Fußgänger hasteten unter Schirmen vorüber, ein paar Radfahrer traten heftig in die Pedale und platschten durch die Pfützen. Neonreklame blitzte bunt an den Fenstern von Bars und Restaurants längs der Straße auf.
»Was ist mit dem Sender? Gibt es da jemanden, der Gierman gern für immer vom Mikrofon verbannt hätte?«
»Daran arbeite ich noch. Hab mit ein paar Mitarbeiterngesprochen, und bisher sind alle nur voll des Lobes. Wenn man sie hört, muss Gierman ein wahrer Teufelskerl gewesen sein. Ein echter Traumprinz.« Er schnaubte, und Rauch quoll aus seinen Nasenlöchern. »Ein feiner Kerl – dass ich nicht lache! Der Letzte, der ihn gesehen hat, ist, soviel ich weiß, sein Handlanger Maury Taylor, der echt betroffen zu sein scheint. Könnte aber auch nur Show sein. Ich muss noch mit ihm reden.« Er warf seine Kippe aus dem Fenster.
»Diese Typen vom Radio«, sagte er verächtlich. »Ein Haufen Spinner.«
Der Streifenwagen durchquerte jetzt ein Wohngebiet und näherte sich der Universität. Die Häuser wurden größer und prächtiger. Gepflegte Rasenflächen, geräumige Veranden, frische Anstriche, zur Schau gestellter Reichtum prägten die Umgebung des All Saints College.
»Weißt du, wohin wir müssen?«, fragte Brinkman, als sie das unbewachte Tor passierten.
»Cramer Hall.«
»Warst du schon mal dort?«
Montoya nickte. »Bentz’ Kleine, Kristi, hat in dem Wohnheim gewohnt, als sie hier studierte.« Er nannte keine Gründe für seinen damaligen Besuch, sagte nichts über den Terror, den Kristi und ihr Vater ausgestanden hatten, doch da Brinkman zu jener Zeit schon im Dienst gewesen war, wusste er, worum es ging.
»Ach ja«, sagte er und nickte. »Die Sache mit dem Serienmörder, der sich der Auserwählte oder so ähnlich nannte. Herr im Himmel, war das ein Verrückter.«
Sie fanden einen Besucherparkplatz und stiegen aus dem Wagen. Mit eingezogenen Köpfen eilten sie ins Wohnheim, wo die Dekanin, Dr. Sharon Usher, die vorher benachrichtigt worden war, sie erwartete. Die Dekanin war eine nervöseFrau mit schmalen Schultern, kurzem braunen, von Silberfäden durchzogenem Haar, ungeschminkt und mit schmalen, verkniffenen Lippen. Sie sah aus wie mindestens fünfundvierzig, und sie entsprach mit ihrer eulenhaften Brille, dem langen Tweedrock und dem braunen Pullover in jeder Hinsicht dem Klischee der Akademikerin.
Sie schüttelten einander die Hände. Anschließend führte Dr. Usher die Männer, einen großen Schlüsselring umklammernd, als handelte es sich um die Schlüssel zu einem Königreich, die alte Treppe des Backsteingebäudes hinauf – eines Gebäudes, das nach Parfüm, verschwitzten Jogginganzügen und sportlichem Ehrgeiz roch. In Dreier- oder Vierergruppen kamen ihnen Mädchen entgegen, laut schnatternd, Headsets eingestöpselt oder Handys am Ohr. Sie schenkten den älteren Männern kaum Beachtung.
Doch im dritten Stock herrschte Stille. Falls hier Studentinnen wohnten, hatten sie sich entweder in ihren Zimmern eingeschlossen oder waren
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