Shiver - Meine Rache Wird Euch Treffen
durchquerte sie das gesamte Haus, sprach mit jemandem, strebte der Tür zu, die hinaus auf die hintere Veranda führte. Ein paar Meter entfernt lag das Atelier. Als sie an den Flügeltüren vorüberkam, begriff er. Der verdammte Hund trabte aufgeregt neben ihr her, die Nase in der Luft, als ob das verflixte Vieh jedes Wort verstand. In wenigen Sekunden würde sie die Hintertürerreicht haben und den Hund vermutlich rauslassen. Der dämliche Köter würde bellend zu ihm her rennen.
Er griff in seine Jackentasche, zog das Handy hervor und gab in dem sicheren Wissen, dass er seine Rufnummer unterdrückt hatte, eine Kurzwahlnummer ein. Die Kurzwahl für ihre Nummer. Die Nummer, die er vor gar nicht langer Zeit, gleich nach dem Diebstahl des Handys aus einem unverschlossenen Auto, gespeichert hatte. Er entfernte sich bereits vom Haus, bahnte sich einen Weg durch dicht stehende Zypressen, Tannen und Büsche, ohne sich zu vergewissern, ob sie ans Telefon gehen würde.
Das erste Klingeln.
Schwitzend sprang er über einen kleinen Baumstumpf.
Das zweite Klingeln.
Scheiße, ließ sie etwa erst den verdammten Hund raus?
Das dritte Klingeln.
Sie meldete sich nicht. Verdammt noch mal, sie war womöglich schon an der Tür! Er lief schneller.
Das vierte Klingeln.
Scheiße!
Klick.
Ihm blieb beinahe das Herz stehen.
»Hallo, hier ist Abby. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht.«
Er klappte das Handy zu, schob es in die Tasche und hastete durch das dichte Gestrüpp. Er war schnell, sein Körper vom Sport gestählt, und er würde nicht zulassen, dass ein dämlicher Hund ihn aufspürte. Den Wagen hatte er gut eine Meile entfernt hinter dem Schuppen einer verlassenen Sägemühle abgestellt.
Trotz der zunehmenden Dunkelheit benötigte er keine Taschenlampe – er hatte diesen Weg schon oft zurückgelegt.Am Zaun des Pomeroy-Grundstücks verlangsamte er seinen Schritt und schlich vorsichtig daran entlang. Er atmete schwer und fürchtete, der verdammte Rottweiler der Pomeroys werde jeden Augenblick an den Zaun stürzen.
Noch so ein blöder Hund, mit dem er sich abplagen musste!
Doch er hörte kein Knurren, kein Bellen, kein Pfotengetrappel. Keine sabbernde Schnauze schnappte mit gefletschten Zähnen hinter dem Zaun nach ihm. Er lief wieder schneller, überquerte die Straße und bog auf einen Wildwechsel ein, der zur alten Mühle führte.
Minuten später sprang er über den rostigen Maschendrahtzaun und gelangte an den verfallenen Schuppen, hinter dem er seinen Wagen geparkt hatte.
Er setzte sich hinters Steuer, schweißnass von dem Lauf durch das feuchte Unterholz. Sein Kopf dröhnte, sein Atem ging hastig, nicht vom Laufen, sondern von dem Wissen, dass er um ein Haar entdeckt worden wäre.
Noch nicht. O nein, jetzt noch nicht.
Er drehte den Zündschlüssel im Schloss, atmete tief durch, fuhr hinter dem alten Schuppen hervor und schaltete die Scheibenwischer ein. Die Scheinwerfer ließ er fürs Erste aus. Nur für den Fall, dass sich jemand in der Nähe aufhielt.
Der Pickup holperte und hüpfte über die unebene Straße. Er musste anhalten, um das Tor zu öffnen, es passieren, wieder anhalten und es hinter sich schließen, um sein Versteck für das nächste Mal zu sichern. Er verriegelte das verdammte Tor sogar mit seinem eigenen Schloss. Das ursprüngliche hatte er vor einigen Wochen entsorgt, nachdem er es mit einem Bolzenschneider geknackt hatte.
Er fuhr über die Hauptstraße in Richtung Highway und schaltete erst dort die Scheinwerfer an. Sein Herz klopfteimmer noch unkontrollierbar, seine Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt. Er kurbelte ein Fenster herunter, damit die beschlagenen Scheiben klar wurden, und als ein paar Meilen zwischen ihm und Abbys Haus lagen, schaltete er das Radio ein und suchte den Sender WSLJ.
»… setzen wir heute unsere Hommage an Luke Gierman fort. Wir alle hier bei WSLJ und sicher auch alle Einwohner von New Orleans sind empört und traurig über das, was Luke zugestoßen ist. Wir bitten unsere Hörer dringend, sich zu melden, falls sie irgendetwas wissen, was der Polizei bei der Aufklärung des Verbrechens dienlich sein könnte. Es sind bisher kaum Einzelheiten darüber bekannt, was genau passiert ist, doch wie es aussieht, hat man die Theorie ›Mord in Verbindung mit Selbstmord‹ fallen gelassen. Nach Meinung der Polizei wurde der Doppelmord so inszeniert, dass es aussieht, als hätte das weibliche Opfer, Courtney LaBelle, Luke erschossen und dann die Waffe gegen sich selbst
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