Shkarr (German Edition)
sein. Es war Sonntag, und nachdem das Projekt auf ganzer Linie gescheitert war, waren keine Überstunden mehr notwendig. Man hatte alles auf Normalbetrieb zurückgefahren. Doch von dieser Anweisung wusste ich nichts, ich spürte nur wie die anderen auch die Auswirkungen. Alle waren einfach nur froh, dass es endlich mal wieder so etwas wie freie Tage und auch Kurzurlaube gab, nach fast über drei Jahren Forschung. Bei einigen sogar noch einige Jahre mehr. Ja, so war das ...
Ich hatte, wie gesagt, an dem Wochenende keinen freien Tag. Ich nahm, wie vorgesehen, auch die Proben von einem ausgewachsenen, männlichen Exemplar. Schwarz war sein Fell, die Ohren waren in der Muschel mit silbernen Haaren ausgefüllt. Die Augen waren grün mit einem goldenen, schmalen Kranz direkt um die Pupillen. Er war das größte Tier, das wir hatten, und ich kann mich noch an jedes Detail erinnern. Wie die anderen lag er müde im Käfig und bewegte noch nicht einmal seinen Schwanz oder die Ohren, als ich näher trat. Selbst die Atmung war flach. Ich befürchtete, er hätte über Nacht das Zeitliche gesegnet. Ich öffnete daher den Käfig. Es war verboten, sie zu öffnen. Um die Tiere zu füttern oder ihnen Proben abzunehmen, war es nicht notwendig, ein derartiges Risiko einzugehen. Dafür hatte man die Käfige besonders umgebaut, da die Kanarras recht intelligent waren und durchaus schon Fluchtversuche gestartet hatten. Daher die Anweisung und diese Sonderkonstruktion. Außerdem war da noch das Halsband, welches sie sehr schnell sehr zahm machte.“
Krischan zuckte zusammen, unterbrach Cid aber nicht, der wie gebannt in die Flammen schaute. Dieser legte selbst eine Pause ein und nestelte an der Flasche, steckte sie jedoch kurz darauf unbeachtet wieder zurück in die Tasche. „Ich denke, die brauche ich nicht“, murmelte er mehr zu sich selbst. „Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, der Kanarra: Er lag einfach so da, während ich in den niedrigen Käfig krabbelte. Als ich mich auf gleicher Höhe bei ihm befand, öffnete er seine Augen. Ich befürchtete eine Falle und wäre beinahe der Länge nach hingeschlagen. Aber er schaute mich einfach nur an ... irgendwie seltsam. Als ob er ganz genau wusste, wer ich war und warum ich hier war. Er blieb eine ganze Weile so und ich traute mich ein Stück näher.
Ich kann nicht sagen, ich hätte keine Angst gehabt, dennoch konnte ich nicht anders. Ich war Wissenschaftler mit Haut und Haaren und ich war noch nie so nahe am Objekt meiner Untersuchung gewesen wie in diesem Augenblick. Ich berührte ihn und er schloss die Augen, ließ es sich gefallen, von mir gestreichelt zu werden. Dann öffnete er wieder die Augen. Aber dieses Mal war es anders. Irgendetwas hatte ich in ihm ausgelöst. Das wusste ich. Doch ehe ich mich aus dem Käfig befreien konnte, war er über mir und erdrückte mich beinahe mit seinem Gewicht. Ich rechnete mit einem tödlichen Schlag oder Biss und schloss in diesem Moment mit meinem Leben ab. Doch er schnurrte nur. Er schnupperte über mein Gesicht und leckte es ausgiebig ab. Er ließ mich dabei nicht los, aber er tat mir auch nichts. Vielleicht wollte er nur spielen, kam mir der Gedanke und ich versuchte, wieder Herr über die Situation zu werden. Doch er rückte nicht ab, sondern legte sich jetzt vollends auf mich. Na toll. Jetzt lag ich da, mit einem streichelbedürftigen Kanarra, den ich nicht berühren durfte, in einem Käfig, den ich nicht öffnen durfte. Wenn ich Glück hatte, kam jemand früher vorbei und befreite mich daraus. Das konnte aber genauso gut mein Pech sein und ich war meine Stelle los. Meine Doktorarbeit konnte ich dann auch in den Wind schreiben.
Ich weiß nicht, wie lange er mich derart bearbeitete. Aber irgendwann entspannte ich mich einfach und versuchte durch Hinnehmen den Kanarra zu täuschen und ihn damit dazu zu bringen, mich wieder loszulassen. Doch da konnte ich lange warten. Ich weiß nicht, wie lange er auf mir lag. Es kann eine oder zwei Stunden gewesen sein. Er zeigte mehr Geduld und Ausdauer als ich, denn mir ging nach einiger Zeit die Luft aus. Aber statt mich loszulassen, legte er seinen Kopf neben meinen und schnurrte mir ins Ohr. Irgendwann wurde ich ohnmächtig.
Als ich wieder aufwachte, lag er neben mir, sein Kopf auf meine Brust gelegt und sah mich an, als ob er mir etwas zu sagen hatte. Ich versuchte aufzustehen und er wich von mir. Anscheinend war ich entlassen. Mir war übel und der erste Gang, nachdem ich den Käfig verlassen hatte
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