Shoal 01 - Lichtkrieg
gegeben hatte.
Vor lauter Verzweiflung wurde ihm übel. Das war das schlimmstmögliche Ende: eine brodelnde Woge aus Tod und Verderben, welche die Shoal-Hegemonie zertrümmerte und seine Spezies zu einem Schattendasein am Rand der Geschichte verdammte. Dies bedeutete den Niedergang einer einstmals großartigen Zivilisation, die sich von diesem Schlag nie wieder würde erholen können; in den Annalen der Historie des Kosmos würden die Shoal nur noch in einem staubigen, vergessenen Winkel vor sich hin kümmern.
Doch selbst im Angesicht dieses offenkundigen Untergangs seines Volkes vermochte er noch einen Hoffnungsschimmer zu entdecken. Während der nächsten Stunden, in denen der Händler im Inneren des Tempels arbeitete, gelang es ihm, potenziell entscheidende Faktoren zu identifizieren: Individuen, Orte und Daten, die die Auslösung des Konflikts sehr wohl beeinflussen konnten.
Und selbst wenn der Krieg sich nicht vermeiden ließ, so konnte man seine Größenordnung, seine destruktive Wirkung vielleicht abschwächen. Durch behutsames, gezieltes Lenken war es eventuell sogar möglich, ihn so weit zu begrenzen, dass er nicht viel Schaden anrichten würde; er konnte auf eine historische Fußnote reduziert werden, anstatt sich zu einem letzten Kapitel in der Geschichte der Galaxis aufzublähen.
Der Händler hatte bereits die Erfahrung gemacht, dass das Schicksal manchmal wirklich in den Händen einiger weniger Individuen lag, die genauso weise und entschlossen agierten wie er.
Er begann Pläne zu schmieden, denn jetzt musste er dafür sorgen, dass er jedes Mal zur richtigen Zeit am richtigen Ort weilte, um diesen maßgeblichen Ereignissen persönlich beizuwohnen – und gegebenenfalls auf sie einzuwirken. Vielleicht würde es ihm sogar glücken, den Lauf der Geschehnisse so abzulenken, dass ein katastrophaler Krieg, der sämtliches Leben in der Galaxis auszulöschen drohte, gar nicht erst stattfände.
Kapitel Vier
Transjupiter-Raum,
Sol-System Gegenwart
Schwitzend, nackt, die Muskeln vom angespannten Warten verkrampft, schwebte Dakota im warmen Kokon der Piri Reis und wartete auf das Unvermeidliche.
Seit sie von Sant’Arcangelo abgeflogen war, hatte das Schiff in Intervallen von exakt dreizehn Stunden verrückt gespielt: Leuchtanzeigen wurden matter, Kommunikationssysteme wiesen Störungen auf und fingen an, sich neu zu booten, und sogar ihre Ghost-Schaltkreise litten an kurzen Anfällen von Amnesie, während Vibrationen, die so heftig waren, dass sie die Schotts zum Klirren brachten, die Außenhülle des Schiffs schüttelten.
Mit jedem Mal nahmen diese Vorfälle an Intensität zu. Und immer dann, wenn dieses Ereignis wieder auftrat, überlegte Dakota, ob sie die ihr unbekannte Fracht im Laderaum nicht einfach ins All hinauskatapultieren sollte. Doch dann erinnerte sie sich, warum es besser wäre, auf eine so rigorose Maßnahme zu verzichten.
Noch zwanzig Sekunden. Sie stellte die Schale mit der rehydrierten Suppe aus schwarzen Bohnen ab und warf einen Blick in Richtung der Hauptkonsole. Ströme von Zahlen und Kurven erschienen in der Luft, zusammen mit dem Bild einer Uhr, die die letzten Sekunden zählte. Dakota starrte auf die Daten, und wieder übermannte sie ein Anflug von Verzweiflung, wie bei jeder der vorangegangenen Störungen auch.
Befördern Sie die Fracht. Ignorieren Sie sämtliche Alarmsignale. Kümmern Sie sich weder um den Laderaum noch um das Versandgut. Diese Anweisungen hatte man Dakota mit auf den Weg gegeben, und sie hatte fest vor, sie zu befolgen.
Auf jeden Fall.
»Piri«, sprach sie laut aus, »was ist die Ursache für dieses Phänomen?«
‹Das kann ich dir leider nicht sagen›, lautete die stets gleichbleibende Antwort des Schiffs auf die Frage, die sie schon ein Dutzend Mal gestellt hatte,‹ohne die Bedingungen deines aktuellen Vertrages zu verletzen. Soll ich trotzdem den Inhalt des Laderaums analysieren?›
Ja. »Nein.« Ein Vertragsbruch hätte ihr nur zum Nachteil gereicht. »Lass es bleiben.«
Die Uhr zeigte null an, der Countdown war zu Ende, und unter hallenden, knirschenden Geräuschen begann die Kabine zu vibrieren. Schwebende Alarmsignale färbten die Luft rot. Inzwischen hatten ihre Ghost-Implantate zweifelsfrei festgestellt, dass irgendetwas im Laderaum diese Vibrationen verursachte. »Alarmsignale ausschalten!« , schnappte sie.
Alles wurde dunkel.
Piri?
Keine Antwort.
Verdammter Mist! Dakota wartete noch ein paar Sekunden und spürte, wie ihr ein kalter
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