Shoal 01 - Lichtkrieg
Schauer über den Rücken rieselte. Sie nahm einen neuen Anlauf, um das Schiff zu rufen, aber es reagierte nicht.
In völliger Finsternis tastete sie sich durch das Kommando-Modul, gelotst von der technologischen Intuition, die die Ghost-Implantate ihr gewährten; sie hangelte sich nur mit den Händen voran und ließ die Beine hinter sich her schweben. Sämtliche Schotten und Oberflächen waren mit glattem Samt und Fell überzogen und boten einen sicheren Halt. Kissen, Essensbehälter und ein paar abgelegte Kleidungsstücke kreisten in den Luftwirbeln, die sie durch ihre Bewegungen erzeugte, und in der Dunkelheit konnte sie nicht verhindern, dass sie dauernd dagegenstieß.
Das einzige Geräusch, das Dakota hörte, waren ihre panischen Atemzüge, die den gleichen Rhythmus hatten wie das durch den Adrenalinschub beschleunigte Klopfen ihres Herzens. In der Überzeugung, das Lebenserhaltungssystem stünde kurz vor dem Kollaps, aktivierte sie ihren Iso-Anzug. Aus Dutzenden künstlicher Poren quoll er aus ihrer Haut, eine Flut aus schwarzer Tinte, die sie mit einem schützenden Film umgab und wie in einen flüssigen Raumanzug einhüllte; die Schicht über den Augen wurde transparent und zeigte ihr den dunklen Raum im Infrarotlicht.
Restwärme verlieh den Instrumentenpaneelen einen unheimlichen Glanz, und sie entdeckte glühende Flecken an den Stellen, an denen ihr nackter Körper mit wärmespeichernden Flächen in Berührung gekommen war; kein Wunder, dass ihre Fantasie mit ihr durchging und sie sich vorstellte, sie sei in einem verlassenen Geisterschiff gefangen.
Sie erreichte den rückwärtigen Teil des Kommando-Moduls. Drei Meter hinter ihr befand sich das enge Schlafquartier, zwei Meter weiter rechts lag der Bug. Von jedem beliebigen Punkt aus nur neun Meter weit entfernt, erstreckte sich hinter der Außenhülle das unendliche Weltall. Sie bog nach achtern ab und rutschte in das schmale Zugangsrohr hinein, das zu den manuellen Kontrollen führte. Piri?
Sie versuchte, auf einen anderen Komm-Kanal zu gehen, doch es tat sich immer noch nichts.
»Quill, du verfluchtes Arschloch!«, brüllte sie in die Dunkelheit, als ihre Angst plötzlich in Wut umschlug. Wenigstens funktionierten ihre Ghost-Implantate noch: sie brachte sie dazu, dass sie ihr Gehirn mit Empathogenen und Phenylethylamin überschwemmten, ihre Stimmung aufhellten und ihr Entsetzen in Grenzen hielten.
Sie konnte wieder frei durchatmen. Es handelte sich lediglich um einen geringfügigen Störfall, einen leicht zu behebenden Fehler im System. Bald fand sie den ersten der manuellen Schalter und drückte viel heftiger darauf, als nötig gewesen wäre. Die Notbeleuchtung flackerte auf, und aus der Richtung der Kommandokonsole tönte ein akustisches Warnsignal. Das Lebenserhaltungssystem weigerte sich jedoch hartnäckig, seine Funktion wiederaufzunehmen.
Eines stand für Dakota fest. Was auch immer die Ursache für ihre derzeitigen Probleme sein mochte, sie befand sich eindeutig im Laderaum.
»Ich kann das Risiko nicht eingehen«, hatte Dakota ihren Schiffsagenten Quill ein paar Tage zuvor gewarnt.
Durch das Panoramafenster, das eine gesamte Wand des Büros der Spedition einnahm, konnte man den Komplex sehen, in dem sich das Handelszentrum des Asteroiden Sant’Arcangelo ballte. An Kabeln, die zwischen den beiden Wänden einer Gebirgsspalte gespannt waren, glitten pausenlos Vehikel hin und her; sie überbrückten die gewaltige Kluft, die sich tief in den mit einem Shoal-Antrieb versehenen Asteroiden hineinzog.
Vögel kreisten in schwindelerregend großen Schwärmen durch die Luft, die mit süßen Honigdüften so übersättigt war, dass man sie beinahe trinken konnte, während Bäume aus Felsflanken ragten, die genauso schroff und zerklüftet waren wie am Tag ihrer Entstehung. An den Hängen zu beiden Seiten der Schlucht hingen Gebäude und Einkaufszentren wie Girlanden; sie baumelten buchstäblich an Zehntausenden unzerreißbarer Kabel, die sich kreuz und quer über den enormen Abgrund zogen.
Nur ein paar hundert Meter über der Stadt Rockes Folly hörte die schmale atmosphärische Schicht abrupt auf, weil sie dort an das Energiefeld stieß, das Sant’Arcangelo einhüllte. Dahinter lag die kalte Einöde des Asteroidengürtels.
»Dakota.« Wenn Quill sprach, klang er abwechselnd wie ein strenger Lehrer und ein Lieblingsonkel. »Es gibt kein Risiko. Was könnte simpler sein? Mein Kunde lädt eine nicht spezifizierte Fracht in dein Schiff. Du fliegst
Weitere Kostenlose Bücher