Shoal 01 - Lichtkrieg
prasselte gegen die Windschutzscheibe. Corso spähte in die Ferne und sah ein paar schwarze Punkte, die um einen anderen Schlepper herumstanden; eine Reihe Fackeln, die man in den harten, gefrorenen Boden gerammt hatte, markierten die Stelle am Seeufer, wo das Duell stattfinden sollte.
»Wir sind da«, murmelte Corso und wunderte sich, wie ruhig seine Stimme klang.
Corso zog seine Wintersachen an, ehe er hinter Sal aus der Fahrerkabine stieg; über die Leiter kletterte er mehrere Meter nach unten und landete in der Schneewehe, die die Ketten dieses Raupenfahrzeugs aufgetürmt hatten. Ein letztes Mal prüfte er, ob seine Atemmaske an den Rändern auch fest versiegelt war, dann blickte er sich um.
Sie standen auf lockerem Schieferton und Felsen; die ganze Gegend war gesprenkelt mit winzigen grünen und blauen Gewachsen, die sich durch den Permafrostboden schoben. Die Kälte brannte auf den Hautstellen, die nicht bedeckt waren. Die orangerote Scheibe von 82 Eridani stand tief am Horizont, während sich der Abend über Redstone herabsenkte.
Corso rieb sich die Stellen seines roten, struppigen Barts, die nicht von der Atemmaske bedeckt wurden. Auf ihren Schutz konnte man nicht verzichten, denn der hohe Stickstoffanteil in der Luft sorgte für Druckverhältnisse, die denen in der Tiefsee glichen; wenige Minuten ohne Atemmaske genügten bereits, um eine Dekompressionskrankheit auszulösen, die nicht selten tödlich verlief. Durch die Maske konnte man sich miteinander verständigen, da die eingebaute Elektronik die Stimme nach außen weitergab; doch sie klang monoton und metallisch, als spreche ein Roboter.
Von dem anderen Schlepper drang fernes, grölendes Gelächter herüber; Corso ballte die Fäuste noch fester zusammen, und eine maßlose Wut stieg in ihm hoch, getragen von einer schwarzen Flutwelle aus Adrenalin.
»Lucas. Hör mir zu. Weißt du noch, was ich dir geraten habe? Geh einfach hin, akzeptiere die Herausforderung und ergib dich kampflos. Dann kannst du weggehen, ohne das Gesicht zu verlieren – und du bleibst am Leben. Laut Verhaltenskodex muss er sich darauf einlassen, andernfalls ist seine Ehre beschmutzt, richtig?«
»Nein, Sal, ich muss ihn töten. Wenn ich es nicht tue, kapieren sie nichts. Sie werden weiterhin denken, dass wir uns alles gefallen lassen.«
An diesem Punkt verlor Sal die Selbstbeherrschung. »Um Gottes willen, selbst wenn du dieses Duell gewinnst, macht dich das noch lange nicht zu einem Bürger! Zweikämpfe sind illegal!«
»Ich stelle den Senat vor vollendete Tatsachen. Natürlich wird man mich verhaften, aber aus dem Gefängnis heraus werde ich den Kampf so lange fortsetzen, bis ich etwas erreicht habe. Die Dinge hier müssen sich ändern. Arbenz selbst will die Zweikämpfe wieder zulassen. Wenn ich gewinne und er weigert sich immer noch, mich als Bürger anzuerkennen, begeht er politischen Selbstmord.«
Sal schnaubte verächtlich durch die Nase. »Sicher, aber was auch immer bei diesem Wahnsinn herauskommt – du bist derjenige, der einen echten Selbstmord begeht.«
Die Freie Demokratische Gemeinschaft basierte auf uralten Idealen. Wer ein Bürger werden wollte – um in den Genuss bestimmter Privilegien zu kommen und wählen zu dürfen –, musste bereit sein, dafür zu kämpfen. Wegen dieser im Grunde kriegerischen Philosophie hatte man die Freie Demokratische Gemeinschaft nach und nach aus sämtlichen Kolonie verwiesen, in denen sie Fuß fassen wollte, bis das Konsortium schließlich nachgegeben und diesen Fanatikern einen Vertrag zur Erschließung von Redstone gewährt hatte. Ohne konkrete Feinde, die man bekämpfen konnte – jedenfalls vor dem Auftauchen der Uchidaner -und angenehm weit von Sol und dem Zentrum des Konsortiums entfernt, hatte sich hier das System der Herausforderung entwickelt.
Aber die Zeiten änderten sich, und zunehmend waren es nur noch Extremisten wie Arbenz und seine Bande von Anhängern, die die alten Prinzipien hochhielten. Der Umstand, dass sie den Krieg mit den Uchidanern verloren – ein Guerilla-Krieg entlang einer sich ständig verändernden Grenze –, machte den Boden, auf dem die alte Garde stand, auch nicht sicherer.
Sechs gleißende Fackeln strahlten um einen Kreis, der durch sorgfältig ausgesuchte Steine vom nahen Ufer markiert wurde. In dem flackernden Licht erkannte Corso dieselben Gesichter, die er an jenem Tag draußen vor den Hydro-Zelten gesehen hatte, als er die Herausforderung ausgesprochen hatte. Trunkenes Gejohle brandete
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