Shoal 01 - Lichtkrieg
auf, als er und Sal sich dem zweistöckigen Schlepper näherten, in dem Northcutt und seine Gang vor ihnen eingetroffen waren.
»Na schön«, meinte Sal und blies langsam den Atem aus, als habe er gerade eine wichtige Entscheidung getroffen. »Du wirst es also wirklich durchziehen.«
Corso nickte, ohne seinen Freund auch nur anzusehen. »Ich mach es.«
Eduardo Jones war Bulls rechte Hand und der Letzte von Northcutts Mannschaft, der sich aus der hochgelegenen Kabine schwang; behände und mit geübten Bewegungen kletterte er die Leiter herunter. Vom See her wehte eine warme Brise, befrachtet mit dem Schwefelgestank der heißen Quellen, die ein paar Kilometer weiter am Ufer sprudelten.
»He!«, brüllte er, als Corso und Sal sich näherten. Jones fing an, den Hartgesottenen zu spielen, schob seine Atemmaske hoch und sog kurz die scharfe, stickstoffhaltige Luft ein, als gäbe es kein Morgen. »Was soll die Scheiße, dass du einen richtigen Kerl herausforderst, Corso?«, schrie er, nachdem er die Maske wieder übergestülpt hatte, so dass seine Stimme wie ein metallisches Scheppern rüberkam. »Kennst du die Regeln nicht – piss nicht ins Bett, fick nicht deine Schwester, und lass dich auf keinen Kampf ein, denn du nicht gewinnen kannst?«
Ein paar der anderen Männer glucksten vergnügt in sich hinein. Bull Northcutt lachte schallend. Sein Gesicht über den mächtigen Schultern war zu einem höhnischen Grinsen verzogen, die Augen glänzten vom exzessiven Missbrauch von Neuro-Chems, wie sie das Militär benutzte.
»Das Ganze ist ein abgekartetes Spiel«, brüllte Sal zu Corsos Verblüffung zurück. »Von einem fairen Zweikampf kann gar keine Rede sein. Und jeder, der hier steht, weiß das!« Vor Wut schraubte sich seine Stimme in die Höhe.
Northcutt wollte sich schier ausschütten vor Lachen. »Du machst wohl Witze«, spottete er. »Corso, gleich nach deinem Tod habe ich ein Rendezvous mit deiner Schwester. Ich schätze, sie wird mich und alle meine Freunde hier gut unterhalten. Wie gefällt dir das, du stinkendes Stück Dreck?«
Ein paar von Northcutts Leuten jubelten, ließen eine Flasche kreisen und rissen sich ihre Masken herunter, um hastig ein paar Züge zu trinken, als feierten sie eine bereits gewonnene Wette. Corso hegte nicht den geringsten Zweifel, dass jeder Einzelne von ihnen an Caras Ermordung beteiligt war. Und dass es außer ihr noch weit mehr Opfer gab.
Und nun hatten sie sich zusammengerottet, um ihm beim Sterben zuzusehen.
Corso hatte längst bemerkt, dass Sal ein weltfremder Idealist war. Er glaubte, in jedem Menschen stecke etwas Gutes, und wollte an Northcutts Vernunft und Sinn für Anstand appellieren. Aber Corso hatte Caras geschundenen Körper im Leichenschauhaus gesehen und machte sich keinerlei Illusionen. Er wusste, dass er es hier nicht mit normalen Menschen zu tun hatte, sondern mit sadistischen Psychopathen.
Wenn er schon krepieren musste, dann würde er verdammt noch mal alles daransetzen, um Northcutt mit in den Tod zu reißen. Diesen brutalen Verbrecher, der nun in lauernder Haltung dastand und ihn von oben bis unten musterte; in seinen Augen lag ein irrer Glanz, der von den Aufputschmitteln herrührte, die seit vielen Jahren sein Gehirn und sein Nervensystem zerfraßen.
Corso bemerkte, dass Bull Northcutts Hände zitterten; seine Finger zuckten wie in leichten Krämpfen, und die Muskeln unter seinem Kinn flimmerten. Ein Kampf mit einem Mann, der sich mit Drogen so vollgedröhnt hatte wie Bull Northcutt, stellte immer ein großes Risiko dar, aber Corsos Gegner war nicht mehr der Jüngste.
Männer wie Bull erreichten nur selten ein hohes Alter, weil sie immer wieder zu Zweikämpfen herausgefordert wurden; und irgendwann wurden sie langsamer, machten Fehler.
Corso spürte einen leichten Schwindel und schloss kurz die Augen. Als er sie wieder öffnete, ließ er den Blick über das Seeufer schweifen und dachte: Wenn es mein Schicksal ist, heute zu sterben, dann soll es mir recht sein.
Zwei lange, zweischneidige Messer mit Klingen aus Karbonstahl lagen schon in der Mitte des Kreises bereit, in dem der Zweikampf stattfinden sollte. Corso sah zu, wie Senator Northcutts Sohn sich aus den äußeren Schichten seiner Schutzkleidung schälte; sein Körper war groß, schlank und muskelbepackt. Vor Verblüffung klappte ihm die Kinnlade herunter, als Northcutt zum Schluss seine Brust entblößte, wobei die Haut mit irgendeiner isolierenden Paste eingeschmiert war. Einer seiner Leute
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