Shogun
strategischen Ziele, Pässe, Städte, Burgen und Brücken waren längst ausgewählt. Es mangelte nicht an Waffen und Männern und der Entschlossenheit, diese Aufstände durchzuführen.
Der Plan ist gut, dachte Toranaga. Aber er wird trotzdem fehlschlagen, wenn ich ihn nicht persönlich durchführe. Sudara wird es nicht glücken. Nicht, weil er es an Mut oder Klugheit mangeln ließe oder weil er mich verriete, sondern einzig und allein, weil Sudara bis jetzt weder Wissen noch Erfahrung genug mitbringt und nicht genug von den abseits stehenden, noch nicht festgelegten Daimyos mitreißen wird. Und dann auch noch deshalb, weil die Burg von Osaka und der Erbe, Yaemon, unerschütterlich im Wege stehen werden – Osaka, wo sich aller Haß und aller Neid und alle Eifersucht sammeln, die ich in zweiundfünfzig Jahren Krieg auf mich gezogen habe.
Toranagas Krieg hatte begonnen, als er sechs gewesen war – als er als Geisel in das Lager des Feindes gebracht worden, dann herausgeholt, wieder von anderen Feinden gefangengesetzt und als Faustpfand benutzt worden war, um abermals als Faustpfand benutzt zu werden – bis zu seinem dreizehnten Lebensjahr. Mit zwölf hatte er seinen ersten Stoßtrupp geführt und seine erste Schlacht gewonnen.
So viele Schlachten! Keine verloren! Aber so viele Feinde! Und jetzt tun sie sich zusammen!
Sudara wird es nicht gelingen. Du bist der einzige, der ›Blutroten Himmel‹ gewinnen könnte, vielleicht. Der Taikō hätte es gekonnt, das ist gar keine Frage. Aber es wäre besser, er würde ›Blutroten Himmel‹ nicht ins Werk setzen müssen.
14. Kapitel
Für Blackthorne war es ein höllischer Morgen. Er war in einen Kampf auf Leben und Tod mit einem Mitgefangenen verstrickt. Es ging dabei um nichts weiter als eine Schale Grütze. Beide Männer waren nackt. Jedesmal, wenn ein Verurteilter in diesen riesigen, einstöckigen Zellenblock aus Holz gesteckt wurde, nahm man ihm alle Kleider weg.
Der düstere, übelriechende Raum war fünfzig Schritt lang und zehn breit und vollgestopft mit schwitzenden nackten Japanern. So gut wie kein Licht kam durch die Planken und Bohlen, die die Wände und die niedrige Decke bildeten. Blackthorne konnte kaum aufrecht darin stehen. Seine Haut war von den abgebrochenen Fingernägeln des Mannes und von den rauhen Wänden aufgeschürft und zerkratzt. Zuletzt rammte er seinem Gegner den Kopf ins Gesicht, packte ihn bei der Kehle und hämmerte den Kopf des Mannes gegen die Balken, bis er das Bewußtsein verlor. Dann stürmte er durch die schwitzenden Leiber zu dem Eckplatz, den er für sich beanspruchte und bereitete sich auf einen neuen Angriff vor.
Der frühe Morgen war die Zeit der Essensausgabe, und die Wachen fingen an, die Schalen mit Grütze durch die kleine Öffnung hindurchzuschieben. Es war das erste Mal, daß er zu essen und zu trinken bekommen sollte, seit man ihn gestern abend hier hineingesteckt hatte. Das Aufstellen zum Essensempfang war ruhig verlaufen. Ohne Zucht würde keiner etwas bekommen. Dann hatte dieser affenähnliche Mann ihm eins in die Nieren gegeben und ihm seine Ration weggenommen, während die anderen darauf warteten, was jetzt geschehen würde. Aber Blackthorne hatte allzu viele Schlägereien an Bord erlebt, als daß er sich durch einen einzigen tückischen Hieb geschlagen gegeben hätte. Deshalb tat er so, als wäre er hilflos und versetzte dem anderen einen ebenso tückischen Fußtritt, und der Kampf hatte begonnen. Jetzt, wo Blackthorne wieder in seiner Ecke hockte, sah er zu seinem Erstaunen, daß einer der Männer ihm die Schale Grütze und das Wasser reichte. Er nahm beides und dankte dem Mann.
Die Ecken waren die bevorzugten Plätze. Ein Balken ging der Länge nach über den gestampften Boden und teilte den Raum in zwei Abteilungen. In jedem Abteil saßen drei Reihen von Männern, wobei zwei Reihen einander ansahen und die Leute sich entweder gegen die Wand oder den Balken lehnten; die andere Reihe befand sich zwischen ihnen. Nur die Schwachen und Kranken hockten in der Mittelreihe. Wenn die stärkeren Männer der Außenreihen die Beine ausstrecken wollten, mußten sie sie über die Beine der in der Mitte Hockenden legen.
Blackthorne sah zwei aufgeschwollene und von Fliegen bedeckte Leichen in einer der Mittelreihen.
Weit sehen konnte er in dem heißen Halbdämmer nicht. Schon jetzt sengte die Sonne das Holzdach. Zwar gab es Kübel für die Notdurft, doch der Gestank war schrecklich, weil die Kranken sich und den Boden
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