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Shogun

Shogun

Titel: Shogun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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Nägel und trug einen übelriechenden, fadenscheinigen Kittel. Er hob eine Hand und reckte ein hölzernes Kreuz über den halbverborgenen Körper. Dann schloß der Alte dem Toten die Augen, murmelte ein Gebet und blickte auf. Er sah, wie Blackthorne ihn anstarrte.
    »Heilige Mutter Gottes, seid Ihr Wirklichkeit?« krächzte der Mann in rauhem Bauernspanisch und bekreuzigte sich.
    »Ja«, antwortete Blackthorne auf spanisch. »Wer seid Ihr?«
    Der alte Mann bahnte sich einen Weg herüber, indem er immer noch vor sich hinbrummelte. Durch wässerige Augen aus warzenbesetztem Gesicht heraus starrte er Blackthorne an. »Oh, gebenedeite Jungfrau, der Señor ist kein Trugbild! Wer seid Ihr? Ich … ich bin Bruder … Bruder Domingo … Domingo … Domingo vom … vom Orden des heiligen Franziskus … dem Orden …«, und dann kam für eine Weile ein Kauderwelsch aus Japanisch und Latein und Spanisch. In seinem Gesicht zuckte es ständig, und er wischte die unentwegt herunterrinnenden Speichelfäden fort. »Der Señor ist wirklich Fleisch und Blut?«
    »Jawohl, ich bin aus Fleisch und Blut.« Blackthorne raffte sich mühsam hoch. Der Priester murmelte ein weiteres Ave Maria, und die Tränen liefen ihm über die Wangen. Wiederholte Male küßte er das Kreuz, und er wäre auf die Knie gesunken, wenn Platz vorhanden gewesen wäre.
    »Beim seligen und heiligen Franziskus, meine Gebete sind erhört worden! Ihr, Ihr, Ihr … ich dachte, ich hätte eine Erscheinung, Señor, sähe ein Gespenst. Jawohl, einen bösen Geist. Ich habe so viele gehabt – so viele – wie lange ist der Señor schon hier? Es ist schwer für jemand, in diesem Dämmer zu sehen, und mein Augenlicht ist schwach … Wie lange?«
    »Seit gestern. Und Ihr?«
    »Ich weiß es nicht, Señor. Lange jedenfalls schon. Man hat mich im September hier hineingesteckt – es war im Jahre des Herrn fünfzehnhundertachtundneunzig …«
    »Und jetzt haben wir Mai – Anno sechzehnhundert.«
    »Sechzehnhundert?«
    Ein unterdrückter Schrei entrang sich dem Mönch. Er raffte sich hoch, bahnte sich einen Weg über die anderen wie eine Spinne, ermutigte hier einen Mann, berührte dort einen anderen. Da er den Sterbenden nicht finden konnte, brummelte er die Worte der Letzten Ölung in die entsprechende Richtung im Raum, segnete einen jeden, und keiner verwahrte sich dagegen.
    »Kommt mit mir, mein Sohn!«
    Ohne zu warten, schlurfte der Mönch den Käfig entlang, durch die Masse der Männer, hinein ins Dunkel. Blackthorne zögerte, da er seinen Platz nicht aufgeben wollte. Doch dann stand er auf und folgte ihm. Nach zehn Schritten blickte er zurück. Sein Platz war nicht mehr frei, sondern von jemand anderem eingenommen.
    Er durchmaß die ganze Länge der Hütte. In der äußersten Ecke gab es – unglaublich! – einen offenen Platz, gerade Raum genug für einen kleinen Menschen, sich dort niederzulegen. Er enthielt ein paar Töpfe und Schalen und eine uralte Strohmatte.
    Pater Domingo stelzte über die anderen hinweg, auf diesen Platz zu und winkte Blackthorne. Die Japaner ringsum sahen schweigend zu und ließen ihn vorbei. »Das ist meine Herde, Señor. Sie alle sind meine Söhne in Christo. Ich habe hier so viele bekehrt – das hier ist Juan, und das Marco, und Methusalem …« Der Priester hielt inne, um Atem zu schöpfen. »Ich bin so müde. Ich … muß, ich muß …« Seine Worte erstarben, und dann war er auch schon eingeschlafen.
    Als der Abend kam, gab es wieder zu essen. Als Blackthorne sich anschickte aufzustehen, gab ihm ein Japaner durch Zeichen zu verstehen, er solle bleiben, und brachte ihm dann eine gefüllte Schale. Ein anderer rüttelte den Priester sanft wach und bot ihm zu essen an.
    »Iyé«, sagte der alte Mann, schüttelte lächelnd den Kopf und schob dem Japaner die Schüssel wieder zurück.
    »Iyé, Farddah-sama .«
    Der Priester ließ sich überreden und nahm ein wenig zu sich, dann stand er auf, seine Gelenke krachten, und reichte seine Schale einem in der Mittelreihe.
    »Ich freue mich ja so, einen Menschen meiner Art zu sehen«, sagte der Mönch und ließ sich neben Blackthorne nieder. Er sprach unbeholfen wie ein Bauer, und er lispelte. Matt wies er hinüber auf das andere Ende des Zellenblocks. »Einer aus meiner Herde sagte, der Señor habe das Wort Pilot – Anjin – benutzt. Der Señor ist ein Pilot?«
    »Ja.«
    »Sind noch andere von der Mannschaft des Señor hier?«
    »Nein, ich bin allein. Warum seid Ihr

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