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Shogun

Shogun

Titel: Shogun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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beschmutzt hatten.
    Von Zeit zu Zeit öffneten die Wachen die eisernen Türen, und es wurden Namen aufgerufen. Die Männer verneigten sich vor ihren Leidensgenossen und gingen, doch bald schon nahmen andere die freigewordenen Plätze wieder ein.
    Einer der Männer an der Wand fing an, sich zu erbrechen. Sogleich wurde er in die Mittelreihe geschoben, wo er unter dem Gewicht der Beine zusammenbrach und beinahe erstickt wäre.
    Blackthorne mußte die Augen schließen, um sein Entsetzen zu überwinden. Du Hund, Toranaga! Ich bete darum, dich einmal in dieses Loch hier stecken zu können!
    Diese Halunken von Wachen. Gestern abend, als sie ihm befohlen hatten, sich seiner Kleider zu entledigen, hatte er sich in bitterer Hoffnungslosigkeit mit ihnen herumgeschlagen; und dann hatten sie ihn durch die Tür gestoßen.
    Es gab vier solcher Zellenblöcke. Sie lagen am Stadtrand auf einem gepflasterten Areal, das von hohen Steinmauern umschlossen war. Draußen gab es am Flußufer ein durch Seile abgegrenztes Geviert aus gestampfter Erde. Fünf Kreuze waren dort aufgerichtet. Nackten Männern und einer Frau hatte man jeweils Fuß- und Handgelenk zusammengebunden und sie dann über das Querholz geschoben. Als Blackthorne hinter seinen Samurai hergegangen war, hatte er die Henker mit langen Lanzen den Opfern kreuzweise die Brust aufschlitzen sehen, während die Menge dazu gejohlt hatte. Dann waren die fünf heruntergenommen worden, und Samurai hatten die Leichen mit ihren langen Schwertern in Stücke gehackt.
    Unbemerkt kam der Mann, mit dem Blackthorne gekämpft hatte, wieder zu sich. Er lag in der Mittelreihe. Blut war ihm über die Schläfe geronnen und die Nase eingeschlagen. Unvermittelt sprang er Blackthorne an.
    Blackthorne sah ihn gerade noch im allerletzten Moment, parierte mit einem Ruck den Anprall und schlug ihn zusammen. Die Gefangenen, auf die der Mann schließlich fiel, verfluchten ihn, und einer von ihnen, ein gedrungener Bursche, versetzte ihm mit der Handkante einen Schlag in den Nacken. Es gab ein trockenes Knirschen, und der Kopf des Mannes sackte herab.
    Der Bursche zog den halbrasierten Schädel am Haarschopf in die Höhe und ließ ihn wieder fallen. Dann sah er zu Blackthorne auf, sagte etwas mit kehliger Stimme, setzte ein zahnloses Grinsen auf und zuckte mit den Achseln.
    »Danke«, sagte Blackthorne, nach Atem ringend, dankbar, daß sein Angreifer nicht Muras Können im unbewaffneten Kampf besessen hatte.
    Blackthorne kam sich dreckig, widerlich und dem Tode nahe vor. Keine Angst, sagte er sich, du mußt noch einen langen Weg zurücklegen, ehe du stirbst … Nein, ich kann es in diesem Höllenloch nicht lange aushalten. Lange kann ich es … Oh, mein Gott, laß mich hier raus! Warum schwimmt denn der Raum, wogt es auf und ab? Und ist das nicht Rodrigues, der mit diesen Fühlern statt Augen auf mich zukommt? Ich bekomme keine Luft. Ich muß raus hier. Bitte, bitte, legt kein Holz mehr nach. Und was tust du hier, Croocq? Junge, ich dachte, sie hätten dich laufen lassen. Ich dachte, du wärest im Dorf. Aber wir sind hier ja im Dorf. Wie bin ich denn hierhergekommen – es ist so kalt, und da ist dies Mädchen, so hübsch, unten an der Landestelle, aber warum schleppen sie sie fort ans Ufer, die nackten Samurai, und warum lacht Omi? Warum hinunter über den Strand, wozu überall diese Blutspuren im Sand, alle nackt, ich nackt, alte Weiber und Bauern aus dem Dorf und Kinder, und da ist der Kessel, und wir sitzen im Kessel, und – nein, nein, kein Holz mehr nachlegen, kein Holz. Ich ertrinke in diesem flüssigen Dreck. O Gott, o Gott, o Gott, o Gott, o Gott, o Gott, ich sterbe, sterbe, sterbe. »In nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti.« Das ist das Letzte Sakrament, und du bist Katholik, und wir alle sind katholisch, und du wirst verbrennen oder in Pisse ertrinken und verbrennen, verbrennen, verbrennen …
    Mit einem Ruck riß er sich aus diesem Alptraum heraus, und in seinen Ohren explodierte es mit der friedlichen, erderschütternden Endgültigkeit des Letzten Sakraments. Einen Augenblick wußte er nicht, ob er wachte oder schlief, denn er traute seinen Ohren nicht, als er den lateinischen Segensspruch abermals vernahm und seine ungläubigen Augen in das Antlitz einer alten Vogelscheuche von einem Europäer starrten, der sich fünfzehn Schritt weiter über die Reihe der in der Mitte sitzenden Häftlinge beugte. Der zahnlose Alte hatte langes schmutziges Haar, einen verfilzten Bart, abgebrochene

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