Shogun
meines Kommens – ach, übrigens, ich hörte, daß die Dame, meine Mutter, das Johji-Kloster besucht?«
»Ach? Ich würde meinen, zur Betrachtung der Kirschblüte ist es bereits ein wenig spät, neh? Sie muß doch schon fast vorüber sein.«
»Das meine ich auch. Aber wenn sie sie unbedingt sehen will, warum nicht? Bei den älteren Leuten ist man sich nie ganz sicher, sie denken auf ihre Weise und sehen manche Dinge anders als wir, neh? Aber um ihre Gesundheit ist es nicht allzugut bestellt. Ich mache mir Sorgen um sie. Sie muß sehr vorsichtig sein – denn sie holt sich nur allzu leicht eine Erkältung.«
»Das ist bei meiner Mutter ganz genauso.« Toranaga merkte sich, daß er sofort eine Nachricht an den Abt schicken müsse, dem Gesundheitszustand der alten Dame größte Aufmerksamkeit zu schenken. Falls sie im Kloster stürbe, würde das die schrecklichsten Auswirkungen haben. Im ganzen Reich würde man ihn dafür verantwortlich machen.
Ishido war vor Wut fast wahnsinnig geworden, als er hörte, daß seine verehrte Mutter sich in der Toranaga-Hochburg Nagoya befinde. Köpfe waren gerollt. Er hatte sofort Pläne zur Vernichtung Toranagas hervorgeholt und sich feierlich geschworen, Nagoya einzuschließen und den Daimyo Kazamaki, in dessen Obhut sie offensichtlich gewesen war, in demselben Augenblick über die Klinge springen zu lassen, da die Feindseligkeiten begannen. Ishido wußte, solange seine Mutter in Toranagas Hand war, mußte er vorsichtig sein. Aber er wollte zum Ausdruck bringen, daß er die Fackel des Krieges ans Reich legen würde, wenn seine Mutter nicht sofort freigelassen würde. »Wie geht es der Dame, Eurer Mutter, Herr Toranaga?« erkundigte er sich höflich.
»Es geht ihr sehr gut, vielen Dank.« Toranaga gestattete sich, sich sein Glück anmerken zu lassen. »Für ihre vierundsiebzig Jahre ist sie noch bemerkenswert gut beieinander. Ich kann nur hoffen, daß ich noch genauso bei Kräften sein werde, wenn ich einmal so alt bin wie sie.«
Du bist achtundfünfzig, Toranaga, aber du wirst niemals neunundfünfzig werden, schwor Ishido sich. »Bitte, übermittelt ihr meine besten Wünsche für ein glückliches weiteres Leben. Vielen Dank noch einmal, und verzeiht, daß ich Euch gestört habe.« Er verneigte sich höflich, und dann, seine Freude nur mit Mühe zurückhaltend, fügte er noch hinzu: »Ach ja, noch etwas Wichtiges, weswegen ich Euch sprechen wollte: Das letzte formelle Treffen der Regenten ist verschoben worden. Wir treffen uns heute bei Sonnenuntergang nicht.«
Toranaga zwang sich, sein Lächeln beizubehalten, aber im Inneren war er schwer angeschlagen. »Ach? Warum?«
»Herr Kiyama ist erkrankt, und Herr Sugiyama und Herr Onoshi fanden, wir sollten verschieben. Ich teile ihre Ansicht. Ein paar Tage spielen keine Rolle, nicht wahr? Wo es doch um Dinge von so großer Wichtigkeit geht.«
»Wir könnten das Treffen auch ohne Herrn Kiyama abhalten.«
»Wir sind übereingekommen, es nicht zu tun.« Ishidos Augen lachten höhnisch.
»In aller Form?«
»Hier sind unsere vier Siegel.«
Toranaga kochte. Jede Verzögerung brachte ihn in größte Gefahr. Konnte er Ishidos Mutter einsetzen gegen ein sofortiges Treffen? Nein, die Anweisungen würden zu lange hin und her gehen, und dann hätte er einen sehr großen Vorteil für nichts preisgegeben. »Wann wird das Treffen stattfinden?«
»Soweit ich höre, dürfte es Herrn Kiyama morgen oder vielleicht übermorgen wieder besser gehen.«
»Gut. Ich werde ihm meinen Leibarzt schicken.«
»Ich bin sicher, er wüßte das zu schätzen. Aber sein eigener hat alle Besuche untersagt. Die Krankheit könnte ansteckend sein, neh?«
»Was für eine Krankheit?«
»Das weiß ich nicht, mein Herr. Jedenfalls hat man mir das gesagt.«
»Handelt es sich bei dem Arzt um einen Barbaren?«
»Ja, soviel ich weiß, um den Hauptarzt der Christen. Unsere sind nicht gut genug für so – so einen wichtigen Daimyo«, sagte Ishido, und es klang wie reiner Hohn.
Toranagas Besorgnis wuchs. Würde es sich um einen japanischen Arzt handeln, hätte sich schon etwas machen lassen. Aber bei einem christlichen Arzt – einem Jesuiten –, nun ja, gegen einen von denen anzugehen oder ihm ins Handwerk zu pfuschen, könnte bedeuten, daß er sich sämtliche christlichen Daimyos zu Feinden machte – und das konnte er nicht riskieren. Toranaga wußte, daß ihm seine Freundschaft mit dem Tsukku-san gegen die christlichen Daimyos Onoshi oder Kiyama nichts half. Es
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