Shogun
lag im Interesse der Christen, eine einheitliche Front zu bilden. Bald würde er an sie herantreten müssen, an die Barbaren-Priester, um sich mit ihnen über eine Zusammenarbeit zu einigen. Falls Ishido Onoshi und Kiyama wirklich auf seine Seite gezogen hat – und alle christlichen Daimyos würden ihrem Beispiel folgen, wenn diese beiden gemeinsam handelten –, dann stehe ich allein da, dachte er. Dann bleibt mir als einziger Weg nur noch ›Blutroter Himmel‹.
»Ich werde Herrn Kiyama übermorgen einen Besuch abstatten«, sagte er und nannte damit einen klaren Termin.
»Aber die Ansteckungsgefahr? Ich würde es mir nie verzeihen, wenn Euch während Eures Aufenthaltes hier in Osaka etwas zustieße, mein Herr. Ihr seid unser Gast und meiner Obhut anvertraut. Ich muß darauf bestehen, daß Ihr das nicht tut.«
»Ihr könnt ganz beruhigt sein, Herr Ishido. Die Ansteckung, die mich zu Fall bringt, gibt es noch nicht, neh? Ihr vergeßt die Prophezeiung des Wahrsagers.« Als die chinesische Gesandtschaft vor sechs Jahren zum Taikō gekommen war, um den Japanisch-Koreanisch-Chinesischen Krieg beizulegen, war ein berühmter Astrologe unter ihnen gewesen. Dieser Chinese hatte vielerlei Dinge vorhergesagt, die sich seither bewahrheitet hatten. Anläßlich eines der unglaublich üppigen Gastmähler des Taikō hatte dieser den Wahrsager ersucht, ihm den Tod einiger seiner Ratgeber vorherzusagen. Der Astrologe hatte geweissagt, daß Toranaga in mittleren Jahren durch das Schwert umkommen würde. Ishido, der berühmte Eroberer von Korea – oder Chosen, wie die Chinesen dieses Land nannten –, würde ohne jede Krankheit als alter Mann sterben, die Füße noch fest auf der Erde, als der berühmteste Mann seiner Zeit. Der Taikō selbst würde im Bett sterben, geachtet und verehrt, an Altersschwäche, und einen gesunden Sohn hinterlassen, der seine Nachfolge antreten werde. Diese Prophezeiung hatte den damals noch kinderlosen Taikō dermaßen beglückt, daß er beschlossen hatte, die Gesandtschaft nach China zurückkehren zu lassen und sie ihrer vorherigen Dreistigkeit wegen nicht umzubringen, wie er es vorgehabt hatte. Statt der erwarteten Friedensverhandlungen hatte der Kaiser von China durch seine Gesandtschaft nur angeboten, ihn ›als den König des Landes Wa‹ anzuerkennen, wie die Chinesen Japan nannten.
»Nein, das habe ich nicht vergessen, Herr Toranaga«, sagte Ishido, der sich sehr wohl erinnerte. »Aber eine Ansteckung kann höchst unangenehm sein. Warum sich Unannehmlichkeiten aussetzen? Ihr könntet Euch die Pocken holen wie Euer Sohn Noboru, verzeiht – oder die Lepra wie Herr Onoshi. Er ist zwar noch jung, aber er leidet. Und wie er leidet!«
Für den Augenblick war Toranaga aus dem Gleichgewicht gebracht. Wie verheerend sich beide Krankheiten auswirken konnten, wußte er nur allzu gut. Noboru, sein ältester lebender Sohn, hatte sich mit siebzehn die Pocken geholt – das war vor zehn Jahren gewesen – und sämtliche Kuren, welche die japanischen, chinesischen, koreanischen und christlichen Ärzte anwandten, hatten ihn von der Krankheit nicht heilen können. Wenn ich einmal allmächtig sein werde, schwor Toranaga sich, dann kann ich diese Krankheit vielleicht ganz ausrotten. Ob sie wohl wirklich von den Frauen kommt? Wie kann man sie heilen? Armer Noboru, dachte Toranaga.
»Bei Buddha, keine von beiden möchte ich bekommen«, sagte er.
»Ganz Eurer Meinung«, sagte Ishido in dem Bewußtsein, daß Toranaga ihm beide wünschen würde, wenn er nur könnte. Er verneigte sich noch einmal und ging.
Toranaga brach das Schweigen. »Nun?«
Hiro-matsu sagte: »Ob Ihr bleibt oder geht – jetzt ist es gleich –, es ist ein Unglück, denn Ihr seid verraten worden, und jetzt steht Ihr ganz allein da, Euer Gnaden. Wenn Ihr bis zur Ratsversammlung bleibt – vor einer Woche wird es bestimmt nicht dazu kommen –, wird Ishido seine Legionen um Osaka herum mobilisiert haben, und es gibt für Euch kein Entkommen, was immer auch mit der Dame Ochiba in Yedo geschieht. Ganz offensichtlich hat Ishido beschlossen, sie aufs Spiel zu setzen, um Euch zu bekommen. Gleichermaßen offenkundig ist es, daß Ihr verraten worden seid und die vier Regenten ihre Entscheidungen gegen Euch fällen. Mit einer Abstimmung vier gegen einen enthebt der Rat Euch Eurer Stellung. Wenn Ihr geht, werden sie alles unterschreiben, was Ishido will. Ihr müßt eine Vier-zu-eins-Abstimmung unbedingt verhindern. Ihr habt geschworen, das zu
Weitere Kostenlose Bücher