Shogun
Alter, zum erstenmal ein Kind zu bekommen. »Ja, ich bin sehr zu beglückwünschen.«
»Buddha hat Euch gesegnet.« Yodoko spürte den Schmerz des Neides in ihrem Herzen. Es schien so ungerecht, daß Toranaga fünf lebende Söhne, vier Töchter und bereits fünf Enkelinnen hatte, und wenn Sazuko ihr Kind jetzt bald bekam und er immer noch viele gesunde Jahre vor sich hatte und so viele Gattinnen in seinem Haus, konnte er noch viele Söhne zeugen. Bei ihr hingegen waren alle ihre Hoffnungen auf dieses eine siebenjährige Kind gerichtet, das ebensosehr ihr Kind war wie das Ochibas. Ja, er ist durchaus mein Sohn, dachte sie. Wie ich Ochiba zu Anfang gehaßt habe …
Sie bemerkte, daß alle sie erwartungsvoll anstarrten, und sagte: »Ja?«
Yaemon runzelte die Stirn. »Ich habe gesagt, könnten wir jetzt wohl zum Unterricht gehen, Erste Mutter? Ich habe es bereits zweimal gesagt.«
»Tut mir leid, mein Sohn. Ich war ein wenig abwesend. Das passiert einem im Alter häufiger. Ja, komm, laß uns gehen.« Kiri half ihr auf, und Yaemon lief voraus.
»Begleitet mich noch ein Stückchen, Herr Toranaga, ja? Ich brauche einen starken Arm, mich darauf zu stützen.«
Toranaga war mit erstaunlicher Behendigkeit auf den Beinen. Sie nahm seinen Arm, ohne freilich seiner Stärke zu bedürfen. »Jawohl, ich brauche einen starken Arm. Und Yaemon auch. Das ganze Reich braucht einen starken Arm.«
»Ich stehe Euch immer zu Diensten«, sagte Toranaga.
Als sie außer Hörweite von den anderen waren, sagte sie leise: »Ihr solltet alleiniger Regent werden. Übernehmt die Macht, und regiert selbst. Bis Yaemon großjährig wird.«
»Das Testament des Taikō verbietet das – selbst wenn ich es wollte. Seine Vorkehrungen schließen die Machtübernahme eines einzelnen Regenten aus.«
»Tora-chan«, sagte sie und gebrauchte den Kosenamen, den der Taikō ihm vor so vielen Jahren gegeben, »wir haben doch nur wenige Geheimnisse voreinander, Ihr und ich! Ihr könntet es schon, wenn Ihr wolltet. Was die Dame Ochiba betrifft, so überlaßt das nur mir. Übernehmt die Herrschaft bis an Euer eigenes Lebensende. Werdet Shōgun und …«
»Yodoko-sama, was Ihr da sagt, ist Hochverrat. Ich trachte nicht nach der Sh ō gunswürde.«
»Selbstverständlich nicht. Aber bitte, hört mich ein letztes Mal an! Schwingt Euch zum Shōgun auf, und macht Yaemon zu Eurem Alleinerben! Nach Euch könnte er Shōgun werden. Entstammt er nicht der Familie Fujimoto – durch die Dame Ochiba über ihren Großvater Goroda und durch ihn zurück bis in die graue Vorzeit? Ein Fujimoto!«
Toranaga starrte sie an. »Meint Ihr, daß die Daimyos sich mit einem solchen Anspruch einverstanden erklären würden – oder daß Seine Hoheit, der Sohn des Himmels, einer solchen Ernennung zustimmen würde?«
»Nein. Nicht, wenn es allein um Yaemon ginge. Aber wenn zuerst Ihr Shōgun würdet und ihn adoptiertet, könntet Ihr sie dazu bewegen – alle. Wir würden Euch unterstützen – die Dame Ochiba und ich.«
»Sie hat ihr Einverständnis dazu gegeben?« fragte Toranaga völlig verblüfft.
»Nein. Wir haben nie darüber gesprochen. Es ist meine Idee. Aber sie wird sich einverstanden erklären … Ich gebe Euch mein Wort für sie – im voraus.«
»Dies ist ein unmögliches Gespräch, Dame.«
»Mit Ishido werdet Ihr schon fertig werden – und mit allen anderen auch. Ich habe Angst vor dem, was ich höre, Tora-chan: Kriegsgerüchte, daß man sich entscheiden müsse, auf wessen Seite man sich stellen will. Wenn es zum Krieg kommt, wird er kein Ende nehmen und Yaemon verschlingen.«
»Ja, das glaube ich auch.«
»Dann reißt die Macht an Euch! Yaemon wäre ein würdiger Nachfolger für Euch. Ich weiß, Ihr mögt ihn. Er besitzt den Geist seines Vaters, und unter Eurer Führung hätten wir alle nur Gutes davon. Er sollte sein Erbe antreten.«
»Ich stelle mich weder ihm noch seinem Erbantritt in den Weg. Wie oft muß ich das noch sagen?«
»Der Erbe wird zugrunde gehen, wenn Ihr ihn nicht tatkräftig unterstützt!«
»Das tue ich ja!« sagte Toranaga. »Und zwar in jeder Beziehung. So habe ich es mit dem Taikō, Eurem verstorbenen Gatten, abgemacht!«
Yodoko seufzte und zog ihr Habit fester um sich. »Diese alten Knochen frieren. So viele Geheimnisse und Kämpfe, Verrat und Tod und Siege, Tora-chan! Ich bin nur eine Frau und sehr allein. Ich bin froh, daß ich mein Leben jetzt Buddha geweiht habe und daß der größte Teil meiner Gedanken nur um ihn und um mein
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