Shogun
Ich habe nie verstanden, wie der Herr Taikō, dein Vater, sie hat dulden können. Aber schließlich war er ein Mann, und auch du bist ein Mann und bringst mehr Geduld auf als ein unbedeutendes Weib. Du hast einen trefflichen Lehrer, Yaemon-sama.« Ihre Augen wandten sich wieder Toranaga zu. »Herr Toranaga bringt mehr Geduld auf als irgendein Mensch im Reich.«
»Geduld ist wichtig, und für einen Führer lebensnotwendig«, sagte Toranaga. »Auch Wissensdurst ist etwas Gutes, nicht wahr, Yaemon-sama?«
»Jawohl, Onkel«, sagte Yaemon. »Er hat recht, nicht wahr, Erste Mutter?«
»Ja, ja, ich finde auch. Aber ich bin doch froh, daß ich eine Frau bin und mich nicht mit diesen Dingen herumplagen muß, neh?« Yodoko schloß den Knaben, der sich neben sie gesetzt hatte, liebevoll in die Arme. »So, mein Sohn. Warum ich hier bin? Um den Kwampaku zu holen. Weil es für den Kwampaku schon spät ist: Das Essen und die Schreibstunde warten.«
»Ich hasse Schreibstunden und gehe jetzt schwimmen.«
Mit gespieltem Ernst sagte Toranaga: »Als ich so alt war wie du, habe ich das Schreiben auch gehaßt. Aber dann, als ich zwanzig war, mußte ich aufhören, Schlachten zu schlagen, und ich ging wieder zurück in die Schule. Das war noch ärger. Jemand, der andere führen will, muß gut schreiben können, Yaemon-sama. Nicht nur klar, sondern auch schön, und ein Kwampaku noch besser als alle anderen. Ein Führer muß viele Dinge tun, die schwierig sind.«
»Jawohl, Onkel. Es ist nicht leicht, Kwampaku zu sein.« Yaemon setzte eine ernste Miene auf. »Ich glaube, ich gehe jetzt doch lieber zum Unterricht.«
Alle waren unbändig stolz auf ihn. »Du bist sehr weise, mein Sohn«, sagte Yodoko.
»Ja, Erste Mutter. Ich bin weise wie mein Vater, sagt meine Mutter. Wann kommt Mutter wieder zurück?«
Yodoko blickte zu Toranaga hinüber. »Bald.«
»Ich hoffe, sehr bald«, sagte Toranaga. Er wußte, daß Ishido Yodoko geschickt hatte, den Knaben zu holen. Toranaga hatte ihn und die Wachen direkt in den Garten gebracht, um seinen Feind noch weiter zu reizen.
»Es ist sehr beschwerlich, die Verantwortung für meinen Sohn zu tragen«, sagte Yodoko. »Es wäre schon sehr gut, wenn die Dame Ochiba wieder daheim in Osaka wäre, dann könnte ich zurück in den Tempel, neh? Wie geht es ihr, und wie geht es der Dame Genjiko?«
»Beide erfreuen sich bester Gesundheit«, berichtete Toranaga, wobei er innerlich frohlockte. Vor neun Jahren hatte der Taikō ihm in einer ganz besonderen Aufwallung von Freundschaft nahegelegt, die Dame Genjiko zu heiraten, die jüngere Schwester der Dame Ochiba, seiner Lieblingsgattin. »Dann werden unsere Häuser für immer verbunden sein, neh?« hatte der Taikō gesagt.
»Jawohl, Euer Gnaden, ich werde gehorchen, obwohl ich diese Ehre nicht verdiene«, hatte Toranaga ehrerbietig erwidert; dabei war es ihm sehr um diese Verbindung mit dem Taikō zu tun gewesen. Aber er hatte auch gewußt, daß seine Nebengattin, Ochiba, ihn deswegen hassen und allen ihren Einfluß auf den Taikō aufbieten würde, um diese Ehe zu verhindern. Außerdem wäre es klüger gewesen, Ochibas Schwester möglichst nicht zu heiraten, denn das hätte ihr eine gewaltige Macht über ihn eingeräumt, von der die Schlüsselgewalt in seinem Haus noch die geringste gewesen wäre. Sollte sie jedoch seinen Sohn, Sudara, heiraten, würde Toranaga als Oberhaupt der Familie seine beherrschende Stellung unangetastet bewahren. Er hatte alle Klugheit aufbieten müssen, auf eine Heirat zwischen Sudara und Genjiko hinzusteuern, es war ihm gelungen, und jetzt hatte er in ihr eine unschätzbare Waffe gegen Ochiba, denn Ochiba liebte ihre Schwester sehr.
»Bis jetzt haben die Wehen bei meiner Schwiegertochter noch nicht eingesetzt – sie sollten gestern kommen –, aber ich könnte mir vorstellen, daß die Dame Ochiba sofort wieder abreist, sobald keine Gefahr mehr besteht.«
»Nach drei Mädchen wird es Zeit, daß Genjiko Euch einen Enkelsohn schenkt, neh? Ich werde für sie beten.«
»Ich danke Euch«, sagte Toranaga; er hatte sie immer gern gemocht, und er wußte, daß sie es aufrichtig meinte, wiewohl er eine ständige Gefahr für ihr Haus bedeutete.
»Wie ich höre, erwartet die Dame Sazuko ein Kind?«
»Ja. Ich bin zu beglückwünschen.« Toranaga sonnte sich in dem Gedanken an seine neueste Gattin, an ihre Jugend, ihre Kraft und ihre Leidenschaft. Ich hoffe, es wird ein Sohn, sagte er sich. Ja, das wäre sehr gut. Siebzehn Jahre sind ein gutes
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