Shogun
ihre Zofen, und verschwand im hintersten Korridor auf der anderen Seite.
Hier war es stockdunkel, doch er tastete sich unbeirrt vorwärts, um in dem zunehmenden Durcheinander die richtige Shoji -Tür zu finden. Er glitt durch sie hindurch und warf sich auf die Gestalt, die auf dem Futon lag. Doch der Arm, der den Dolch führte, wurde wie von einem Schraubstock gepackt. Er riß sich los und schlug noch einmal zu, verfehlte sein Ziel jedoch und verfing sich in der Oberdecke. Die schüttelte er ab und stürzte sich dann auf die Gestalt, den Dolch zum Todesstoß erhoben. Doch mit völlig unerwarteter Behendigkeit warf der Mann sich herum, und ein Fußtritt traf ihn mit unerhörter Kraft in den Schritt. Der Schmerz explodierte in ihm, während sein Opfer sich in Sicherheit brachte.
Dann drängten sich an der Tür Samurai mit Laternen, und Naga, nur mit einem Lendentuch bekleidet und mit zerzaustem Haar, warf sich zwischen ihn und Blackthorne, das Schwert hoch in der Luft.
»Ergebt Euch!«
Einmal täuschte der Mörder ihn durch eine unerwartete Bewegung, rief: »Namu Amida Butsu – Im Namen des Buddha Amida«, richtete dann den Dolch gegen sich selbst und stieß ihn sich mit beiden Händen in die Gurgel. Das Blut schoß hervor, und er sank in die Knie. Naga schlug zu, und der Kopf rollte am Boden.
Im allgemeinen Schweigen hob Naga den Kopf auf und riß ihm die Maske herunter. Es war ein ganz gewöhnliches Gesicht, die Augenlider zuckten noch. Er hielt den Kopf am Haarknoten fest, wie er für Samurai vorgeschrieben war.
»Kennt ihn jemand?«
Niemand antwortete. Naga spuckte in das Gesicht, warf den Kopf dann wütend einem seiner Männer zu, riß das schwarze Gewand auf, hob den rechten Arm des Mannes in die Höhe und fand, was er suchte. Das chinesische Zeichen für Amida, den Buddha, der die ihm blind ergebenen Anhänger sofort nach dem Tode in sein Paradies aufnimmt, war ihm in die Achselhöhle tätowiert.
»Wer hat die Wache unter sich gehabt?«
»Ich, Euer Gnaden.« Der Mann war kreideweiß vor Schreck.
Naga sprang auf ihn zu, die anderen fuhren auseinander. Der Offizier machte keinen Versuch, dem wütenden Schwerthieb auszuweichen, der seinen Kopf, einen Teil der Schulter und einen Arm von seinem Rumpf trennte.
»Hayabusa-san, alle Samurai dieser Wache haben sich unten im Hof zu versammeln«, wandte Naga sich an einen anderen Offizier. »Verdoppelt die neue Wache! Schafft die Leiche von hier fort! Und ihr anderen seid …« Er sprach nicht weiter, denn Kiri kam durch die Tür, den Dolch immer noch in der Hand. Erst betrachtete sie den Leichnam, dann Blackthorne.
»Der Anjin-san ist nicht verletzt?« fragte sie.
Naga sah zu dem Barbaren auf, der ihn um Haupteslänge überragte und schwer nach Atem rang. Er konnte weder Wunden noch Blut entdecken, sondern sah nur einen Mann, der jählings aus dem Schlaf gerissen und ums Haar ermordet worden wäre. Er war zwar bleich, zeigte aber nach außen hin keinerlei Furcht. »Seid Ihr verletzt, Anjin-san?«
»Nein«, hörte er den Riesen sagen und sah ihn den Kopf schütteln.
»Gut«, sagte er. »Er scheint unverletzt, Kiritsubo-san.«
»Der Mörder, er trug das Zeichen Amidas, neh?« fragte Kiri.
»Jawohl, Kiritsubo-san.«
»Teufel – Teufel!«
Naga verneigte sich vor ihr und sah dann einen der erschrockenen Samurai an. »Du folgst mir! Nimm den Kopf!« Damit stapfte er davon und überlegte, wie er das seinem Vater beibringen sollte. O Buddha, Dank sei dir, daß du meinen Vater beschützt hast.
»Es war ein Ronin«, sagte Toranaga barsch. »Ihr werdet nie dahinterkommen, wer er war, Hiro-matsu-san.«
»Gewiß. Aber dahinter steckt Ishido. Sich solcher dreckfressender Meuchelmörder zu bedienen! Ich bitte Euch jetzt, laßt mich alle Eure Truppen zu den Waffen rufen! Ich werde dem ein für allemal ein Ende setzen.«
»Nein, Hiro-matsu-san. Sämtliche Samurai dieser Wache werden wegen Pflichtvergessenheit degradiert! Es wird ihnen ausdrücklich verboten, Seppuku zu begehen. Sie haben vor allen meinen Leuten als Soldaten der untersten Klasse mit ihrer Schande zu leben! Laßt die toten Wachen an ihren Füßen durch die Burg und die Stadt zur Hinrichtungsstätte schleifen. Sollen die Hunde sie fressen.«
Jetzt sah er seinen Sohn Naga an. Am frühen Abend war eine dringliche Botschaft vom Johji-Kloster in Nagoya an ihn gelangt, in der von einer Bedrohung Nagas die Rede gewesen war. Toranaga hatte sofort angeordnet, daß Naga sich stark bewacht in größter
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