Shogun
geölt, dann hochgenommen und zurückgebogen und sorgsam oben festgesteckt.
Nur Samurai durften das Haar so tragen, ja, für sie war es Vorschrift, das zu tun. Nur Samurai auch durften die beiden Schwerter tragen – immer das zweihändige Langschwert und ein kurzes, dolchartiges –, auch diese Schwerter zu tragen war für sie Vorschrift.
Die Samurai versammelten sich entlang dem Schanzkleid seines Schiffes und beobachteten ihn.
Voller Unruhe stieg er die Gangway hinauf und gelangte an Deck. Einer der Samurai – er war auffälliger gekleidet als die anderen – trat auf ihn zu und verneigte sich. Blackthorne hatte inzwischen gelernt und verneigte sich gleichfalls, woraufhin alle an Deck gutmütig strahlten. Immer noch saß ihm der Schock von vorhin in den Gliedern, und ihr Lächeln besänftigte seine bösen Vorahnungen keineswegs. Er ging auf den Niedergang zu und blieb unversehens stehen. Quer über die Tür war ein breites Band aus roter Seide geklebt, daneben war ein kleines Zeichen mit sonderbarer, krakeliger Schrift angebracht. Ein ähnliches Zeichen war an das Schott genagelt.
Er streckte die Hand aus, um das Seidenband abzunehmen.
» Hotté oké !« Um dem, was er sagen wollte, unmißverständlich Nachdruck zu verleihen, schüttelte der Samurai den Kopf. Das Lächeln aus seinem Gesicht war verschwunden.
»Aber dies hier ist mein Schiff, und ich möchte …« Blackthorne drängte seine Angst zurück. Seine Augen ruhten auf den Schwertern. Ich muß nach unten, dachte er. Ich muß die Kurskarten an mich bringen – meine und den geheimen roteiro . Herrgott, wenn sie die gefunden und den Priestern gegeben haben oder den Japanern, sind wir verloren. Jeder Gerichtshof auf der Welt – außerhalb Englands und der Niederlande – würde uns mit dem Beweismaterial als Piraten verurteilen. In meiner Segelanweisung sind Daten, Orte und Größe der Beute eingetragen, die Zahl der Toten, die es bei unseren drei Landungen in Amerika gegeben hat und der einen in Spanisch-Afrika, die Anzahl der Kirchen, die wir geplündert, und wie wir die Städte und Hafenanlagen niedergebrannt haben. Und der portugiesische roteiro ? Der ist so gut wie unser Todesurteil, denn selbstverständlich ist er gestohlen. Zumindest hat man ihn einem portugiesischen Verräter abgekauft. Und nach ihren Gesetzen muß jeder Ausländer, der im Besitz eines ihrer roteiros ist, ganz zu schweigen von einem, der die Durchfahrt durch die Magellanstraße erschließt, vom Leben zum Tode befördert werden.
» Nan no yoda ?« sagte einer der Samurai.
»Sprecht Ihr Portugiesisch?« fragte Blackthorne in dieser Sprache.
Der Mann zuckte die Achseln. »Wakarimasen.«
Ein anderer trat vor und sprach unterwürfig auf den Anführer ein, der durch Nicken sein Einverständnis zu erkennen gab.
»Portugieso Freund«, sagte der Samurai mit schwerfälliger portugiesischer Aussprache. Er nestelte am Ausschnitt seines Kimonos herum und wies auf ein kleines hölzernes Kruzifix, das um seinen Hals hing.
»Christ.« Er zeigte auf sich und lächelte. »Christ.« Dann zeigte er auf Blackthorne. »Christ ka ?«
Blackthorne zögerte, nickte dann jedoch. »Christ.«
»Portugieso?«.
»Engländer.«
Der Mann redete raschzüngig mit dem Führer; dann zuckten beide mit den Achseln und sahen wieder ihn an. »Portugieso?«
Blackthorne schüttelte den Kopf, wiewohl es ihm unbehaglich war, in irgend etwas nicht einer Meinung mit ihnen zu sein. »Meine Freunde? Wo?«
Der Samurai wies auf das Ostende des Dorfes. »Freunde.«
»Dies hier ist mein Schiff. Ich möchte nach unten gehen.« Blackthorne erklärte dies auf mehr als eine Weise, machte die entsprechenden Zeichen, und sie verstanden.
»Ah, so desu! Kinjiru«, erklärten sie mit Nachdruck, zeigten auf die Notiz und strahlten.
Es war nicht misszuverstehen: Er durfte nicht nach unten. Kinjiru – das muß ›verboten‹ heißen, überlegte Blackthorne irritiert. Ach, zum Teufel damit! Er drückte die Klinke und öffnete die Tür einen Spalt.
»Kinjiru!«
Er wurde herumgerissen und stand dem Samurai Aug' in Auge gegenüber. Die Schwerter hatten sie halb aus den Scheiden gezogen. Regungslos warteten die Männer, zu welchem Entschluß er kam.
Blackthorne wußte, daß ihm keine andere Möglichkeit blieb, als einen Rückzieher zu machen, daher hob er die Schultern hoch, entfernte sich und prüfte das Tauwerk des Schiffes, so gut es ging. Die zerfetzten Segel waren heruntergeholt und an den Rahmen festgebunden
Weitere Kostenlose Bücher